Montag, 8. Juni 2015

Bryan Smith: Blutgeil


Blutgeil ist mittlerweile der neunte Titel von Bryan Smith,  der im Festa Verlag innerhalb von drei Jahren  erschienen ist. Damit darf man wohl mit Fug und Recht behaupten, dass Smith im Moment, neben Edward Lee so etwas wie eines der Zugpferde des Verlags zu sein scheint. Blutgeil ist die Fortsetzung von Todesgeil, der 2012 als dritter Smith-Roman seinen Weg zu den deutschsprachigen Lesern fand. Die Geschichte von Roxie, die sich an einer Gruppe Collegekids rächen will, dabei aber auch vor anderen Blut- und Schandtaten nicht zurückschreckt und in einem furiosen Finale in Myrtle Beach endet, ist vor drei Jahren von der deutschen Horrorkritik recht gut aufgenommen worden ist. Carmen Weinand bescheinigte dem Buch auf ihrem Blog Horror and more es sei  „zugleich tiefgründig und unterhaltsam“ sowie „actionreich, spannend und genial abartig“ (http://testwerkstatt.blogspot.de/2012/06/todesgeil-bryan-smith.html).  Bei Literra.de wiesen sowohl  Florian Hilleberg („Todesgeil ist keine stupide Aneinanderreihung von Brutalitäten und pornografischen Szenen, sondern darüber hinaus auch eine erschreckende Achterbahnfahrt in die Abgründe der menschlichen Psyche.“- http://www.literra.info/rezensionen/rezension.php?id=5798) als auch Elmar Huber („Bryan Smith … nutzt die Zeit zwischen den Gewaltspitzen zur durchaus gelungenen Charakterisierung und Entwicklung seiner Figuren“ -  (http://www.literra.info/rezensionen/rezension.php?id=6057) auf die gelungenen Charakterzeichnungen hin. Und Torsten Scheib zieht in seiner Besprechung des Romans bei Fantasyguide.de – wie auch die meisten anderen Rezensenten – Parallelen zu den Genregrößen Richard Laymon und Jack Ketchum: „Es wird gefoltert, vergewaltigt, verstümmelt und getötet, was das Zeug hält – und dies so hartherzig und deutlich, dass es selbst ein Richard Laymon zu Glanzzeiten schwer gegen seinen inoffiziellen Nachfolger gehabt hätte. Jedoch ist dieses grausige Sammelsurium der Abartigkeiten keine sinnfreie Splatterorgie, sondern integrer Bestandteil einer wirklich gelungen Story.“ (http://fantasyguide.de/12669/).

Donnerstag, 26. März 2015

A.P. Glonn: Die andere Seite der Realität


Die andere Seite der Realität beginnt als Kriminalroman im viktorianischen London. Die Polizei arbeitet gerade an einem der wohl berühmtesten Fälle der Kriminalgeschichte. Jack the Ripper treibt im Bezirk Whitechapel sein Unwesen und der Protagonist des Romans, Inspector Seth Aspen macht Jagd auf ihn. Er verfolgt die Spur des Frauenmörders bis über den Großen Teich und sogar darüber hinaus. Denn während seiner Jagd tritt er in eine andere Welt über, eben auf Die andere Seite der Realität. Er befindet sich plötzlich in einer Fantasywelt, wo zwar auch Menschen leben, die aber allesamt magische Fähigkeiten besitzen. Er freundet sich dort mit einigen Personen an, u.a mit so genannten Shadowwalkers, die schnell - durch die Schatten – von einem Ort zum nächsten gelangen, und Gestaltwandler, wie z. B. eine Art Werwolf. Aber natürlich ist Seth Aspen auch weiterhin dem Ripper auf der Spur, der seine Wurzeln auf dieser Seite der Realität hat. Dazu lernt auch einiges über sich selbst kennen.

Soweit kurz und knapp die Storyline von A.P. Glonns Roman, der 2014 im Luzifer Verlag erschienen ist. Der Roman hat seine Stärken im ersten Teil, als die Mörderjagd der Londoner Polizei beschrieben wird. Das ist richtig gut gemacht. A.P. Glonn fängt die Atmosphäre des nebelverhangenen Londons im ausgehenden 19. Jahrhundert wunderbar ein, tut das aber in einer Sprache, die keineswegs altbacken ist. Da verzeiht man es auch, wenn manche Modernismen in der wörtlichen Rede für die Zeit unpassend wirken. Wenn sie diesen Weg weiterbeschritten hätte, wäre vermutlich ein guter bis sehr guter klassischer Kriminalroman daraus werden können.

Donnerstag, 19. März 2015

Kealan Patrick Burke: Timmy Quinn - Der Schildkrötenjunge & Die Häute


Acht Jahre nachdem Der Schildkrötenjunge erstmals bei Eloy Edictions in deutscher Sprache erschien und etliche Jahre nachdem der zweite Teil der Timmy-Qinn-Serie Die Häute erstmals angekündigt wurde (ebenfalls bei Eloy), erschien 2014 endlich bei Voodoo Press ein Buch, das diese beiden Erzählungen in einem Band beherbergt. The Turtle Boy gewann 2004 den Stoker Award für Long Fiction (ich weiß nicht, was die adäquate Übersetzung für diese Kategorie zwischen der Kurzgeschichte und dem Roman ist) und The Hives war im Jahr darauf als bester Debütroman nominiert.

Kealan Patrick Burke gilt als eines der größten Talente im Horror-Genre, obwohl Talent bei einem Autor, der seit über zehn Jahren dabei ist und mehrere Romane, unzählige Kurzgeschichten und noch etliche Werke, deren Längen dazwischen liegen, veröffentlicht hat, wohl nicht mehr ganz stimmt. Seine Timmy-Quinn-Serie, die aus fünf mehr oder weniger langen Erzählungen besteht, soll nun in drei Bänden komplett auf Deutsch erscheinen. Dem Genreleser wird es freuen.

Donnerstag, 12. März 2015

Vanessa Kaiser & Thomas Lohwasser (Hrsg.): Dunkle Stunden


Nachdem das Autoren-Duo Vanessa Kaiser und Thomas Lohwasser schon seit einigen Jahren mit Kurzgeschichten in einigen Anthologien vertreten war (für die Erzählung „Das Herz des Jägers“ aus Lothar Misckes Anthologie Geschichten unter dem Weltenbaum gab es 2011 des Deutschen Phantastik Preis), haben sich die beiden nun daran gewagt, selbst eine Anthologie herauszugeben. Sie starteten eine Ausschreibung und suchten Kurzgeschichten, die sich mit dem Thema Dunkelheit befassten. Da  gerade dieses Thema von vielen Seiten aus beleuchtet werden kann, verwundert es nicht, dass auf ihren Aufruf ca. 300 Geschichten eingesandt wurden. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was für ein Aufwand es gewesen sein muss, diese 300 Geschichten zu lesen und auf ihre Tauglichkeit (in mehrerlei Hinsicht) für die Anthologie zu prüfen. Schon alleine dafür möchte ich Vanessa Kaiser und Thomas Lohwasser meinen Respekt aussprechen.

Übrig geblieben sind 25 Kurzgeschichten, die im Oktober 2014 in dem Band Dunkle Stunden publiziert wurden. Wie schon erwähnt, gibt es natürlich verschiedene Herangehensweisen an das Thema Dunkelheit. Daraus ergibt sich, dass diese Sammlung sehr abwechslungsreich ist. Ich wage zu behaupten, das  für jeden etwas dabei ist. Aber genauso wird jeder Leser Geschichten finden, mit denen er rein gar nichts anfangen kann – sei es thematisch oder wegen des Stils. Nichtsdestotrotz bleibt beim Verfasser dieser Zeilen ein positiver Gesamteindruck nach der Lektüre des Buches hängen. Aber ich gehe, wie bei meinen Anthologiebesprechungen üblich, zunächst auf die einzelnen Erzählungen ein. Da es 25 an der Zahl sind, versuche ich mich so kurz wie möglich zu halten, damit die Länge dieser Rezension nicht ausartet. Damit werde ich natürlich den meisten Erzählungen nicht gerecht und bitte vorher um Entschuldigung.

Montag, 9. März 2015

Stefan Melneczuk: Wallenstein

Stefan Melneczuks Thriller Wallenstein ist, wie er selbst im Nachwort schreibt, der letzte Roman einer Reihe von drei Romanen, die mit Marterpfahl begann und mit Rabenstadt fortgesetzt wurde. Und Melneczuk nennt in seinem Nachwort auch gleich das gemeinsame Thema der Romane: Verlust. Marterpfahl handelt vom „Verlust von Unschuld und Freundschaft“, Rabenstadt vom „Verlust von Freiheit und Moral“ und Wallenstein vom „Verlust von Liebe“.

Und zwar ist es hier der Ex-Polizist Richard Wagner, der seine Frau und große Liebe durch einen Unfall verloren hat. In den Gegenwart übertitelten Kapiteln erleben wir Wagner kurz nach dem Tod seiner Frau. Wir lernen einen Mann kennen, der trauert, und noch nicht weiß, ob und wie er den Weg zurück ins Leben findet. Die gegenwärtige Handlung wechselt sich ab, mit Geschehnissen aus dem Jahr 1987: Richard Wagner ermittelt als junger Polizist an dem Fall eines Mörders, der im Volksmund das „Nachtgespenst“ heißt, weil er ein Bettlaken über den Kopf gezogen hat, wenn er sich seinen Opfern nähert.  Nun changiert die Handlung zwischen den beiden Zeitebenen. Auf der einen Seite, die Verbrecherjagd, auch mit Szenen aus der Sicht des fiktiven Mörders, der übrigens den realen "Kirmesmörder" Jügen Bartsch als Vorbild hat (interessanterweise hauptsächlich im Präsens geschrieben); auf der anderen Seite der trauernde Mann, der nicht loslassen kann, und das Gefühl hat, seine Frau sei immer noch „irgendwie“ bei ihm. So kommen auch gewisse übersinnliche Elemente ins Spiel, die aus diesem Thriller einen Mystery-Thriller machen. 

Donnerstag, 5. März 2015

David Cronenberg: Verzehrt

Der Filmregisseur David Cronenberg hat nun im fortgeschrittenen Alter sein Romandebüt vorgelegt und es damit gleich auf die Short List der Stoker Awards in der Kategorie bestes Romandebüt geschafft. Aber ob der Roman wirklich in die vom Stoker Award berücksichtigten Kategorien passt, sei erst einmal dahingestellt.

Verzehrt erzählt vordergründig die Geschichte des Journalistenpärchens Naomi Seberg und Nathan Math, die an scheinbar unterschiedlichen Stories arbeiten.  Er ist zunächst bei einem ungarischen Arzt, der in Budapest dubiose Brustoperationen durchführt, und anschließend in Toronto, wo er Dr. Barry Roiphe trifft, dem Entdecker und Namensgeber einer seltenen Geschlechtskrankheit, die sich Nathan in Budapest selbst eingefangen hat. Naomi ist in Paris und recherchiert in einem obskuren Mordfall, in dem der männliche Part des französischen Philosophenpaares Aristide und Celestine Arosteguy den weiblichen umgebracht und verspeist, oder sollte ich eher schreiben verzehrt, haben soll. Im Rahmen ihrer Nachforschungen folgt Naomi dem Philosophen auch nach Tokio, um seine Version der Geschichte zu erfahren.

Donnerstag, 26. Februar 2015

Steven Konkoly: Die Jakarta-Pandemie


Steven Konkoly ist ein sehr erfolgreicher Self Publisher in den USA. Die dystopischen Romane und Actionthriller des Ex-Soldaten sind ständiger Gast in den oberen Regionen der Amazon.com-Charts. Seine Bücher verkaufen sich so gut, dass er seit gut einem Jahr hauptberuflich Schriftsteller ist. Das ist natürlich Grund genug für Amazon diesen Schriftsteller über den eigenen Verlag AmazonCrossing auch in anderen Sprachen auf die jeweiligen Märkte zu bringen. So liegt nun Konkolys Debütroman aus dem Jahre 2010 mit dem Titel Die Jakarta-Pandemie auf Deutsch vor.

Der Titel lässt schon erahnen, dass der Roman eher im Genre Dystopie anzusiedeln ist. Erzählt wird die Geschichte von Alex Fletcher, einem Ex-Marine, der nach seiner Militärzeit sein Geld als Pharma-Vertreter verdient. Das ist jetzt nicht unbedingt ein Beruf, den sympathische Romanhelden sonst ausüben. Darum hängt er ihn auch ziemlich am Anfang des Romans an den Nagel. Denn die ganze Welt wird von einem Grippe-Virus bedroht, der schnell eine Pandemie auslöst. Es handelt sich natürlich um die titelgebende Jakarta-Pandemie. Alex Fletcher ist durch seinen Einsatz im Irak-Krieg etwas psychotisch und hat aus diesem Grund mit seiner Familie - seiner Frau Kate und den beiden Kindern – immer einen Vorrat für den Katastrophenfall in seinem Haus in Maine gebunkert, und zwar egal welche Art Katastrophe sich anbahnt.

Donnerstag, 19. Februar 2015

Tim Curran: Skin Medicine - Die Letzte Grenze



Tim Currans Bücher werden seit 2011 in Deutschland verlegt. Zuerst erschienen an Lovecraft angelehnte Kurzgeschichten als Sonderband  im Festa Verlag (Bis dass die Zeit den Tod besiegt) und eine etwas längere Novelle im Atlantis Verlag (Der Leichenkönig). In den folgenden zwei Jahren erschienen drei von Currans Romanen im Festa Verlag: Zerfleischt, Verseucht und Dead Sea. Im letzten Jahr erschienen seine Kurzromane Leviathan und Kopfjäger einzeln als E-Books oder gedruckt mit Wendecover im Luzifer Verlag. Dort erschien auch die neueste Curran-Übersetzung Skin Medicine – Die letzte Grenze. Aber es ist das bislang älteste Buch von ihm, das in deutscher Sprache erschien. Die amerikanische Erstausgabe Skin Medicine brachte Hellbound Books in einer limitierten Fassung schon 2004 heraus. 2009 erlebte der Roman eine Neuauflage bei Severed Press, diesmal ohne Limitierung.

Schon mit seinen bisher in deutscher Sprache erschienen Werken zeigte sich, dass Curran eine der interessantesten und auch vielseitigsten neuen Stimmen des amerikanischen Horrors ist. Von eher klassischen an Lovecraft angelehnten Geschichten bis zur knallharten Dystopie hat man schon einiges von ihm geboten bekommen. Seine Romane wurden von der deutschen Horrorkritik aber auch durchaus kontrovers besprochen. Torsten Scheib beispielsweise attestierte bei Fantasyguide.de dem Roman Verseucht: „Es ist … ein Meisterwerk.“ (Quelle: http://fantasyguide.de/12788/) Dahingegen beschied Andreas Wolf einem anderen Roman Currans: „Zerfleischt gehört jedenfalls nicht ins Buchregal, sondern in die blaue Tonne“ (Quelle: phantastisch 47, 3/2012, Atlantis Verlag, S. 53). Ich habe beide erwähnten Romane gelesen und schließe mich eher der Meinung Scheibs an, obwohl ja auch Wolf  zugibt, „dass Curran durchaus gut schreiben kann“. (Quelle: s.o.).

Donnerstag, 12. Februar 2015

Ian Tregillis: Der kälteste Krieg


Nachdem man den zweiten Teil der Milkweed-Trilogie von Ian Tregillis gelesen hat, muss man umso trauriger sein, dass der  Festa Verlag seinen Imprint Deltus.de schon wieder einstampft. Es wird nur noch ein Buch erscheinen – zum Glück ist es der Abschlussroman der Trilogie: Das notwendige Böse – und dann ist nach elf Büchern schon wieder Schluss mit dem Experiment. Die übrigen angekündigten Titel werden aber wohl unter dem Festa-Logo erscheinen und der schon fast erschienene Roman Die Leben des Tao von Wesley Chu wird bei S. Fischer erscheinen, ich vermute mal im nächsten Jahr bei deren neuen Phantastik-Ableger Fischer Tor. Also muss man sich nicht zu sehr grämen. Schade ist es trotzdem, denn in dem auf die Bereiche Science Fiction und Fantasy sowie Endzeit abgestimmten Programm fanden sich einige Perlen und ich glaube auch, dass dort noch Einiges zu erwarten gewesen wäre. Aber manchmal soll es halt nicht sein und dass es nicht so einfach ist, eine neue Marke auf dem Markt zu etablieren, dürfte klar sein.

Freuen wir uns also, dass Deltus.de die Milkweed-Trilogie auf den deutschsprachigen Markt gebracht hat. Schon der erste Teil Saat des Unheils hatte mich mitgerissen. Er ist in meiner persönlichen Top Ten des letzten Jahres gelandet.  Der im Genre der Alternativgeschichte angesiedelte Roman spielt zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs. Die Deutschen haben sich von einem verrückten Professor die fast perfekten Soldaten bauen lassen, die „Götterelektronengruppe“, bestehend aus Menschen mit Superheldenfähigkeiten. Die Briten bekämpften sie mit Warlocks, die eine alte Macht, die Eidola, beschworen konnten, um ihnen zu helfen. Carsten Kuhr bescheinigte dem Roman bei PhantastikNews.de: „Das liest sich spannend und packend auf einen Rutsch durch, nutzt Thriller-Elemente, um das Tempo und die Dramatik hochzuhalten, und unterhält bestens.“ (Quelle: http://www.phantastiknews.de/joomla/index.php?option=com_content&view=article&id=9340:ian-tregillis-saat-des-unheils-buch&catid=42:rezensionen&Itemid=62) Und dem kann ich nur beipflichten. Ich würde sogar noch weitergehen und Cory Doctorow recht geben, der über Tregillis bei boingboing.net Folgendes schreibt: „Tregillis writes and plots beautifully. The characters -- twisted German psychics, bitter warlocks, the brutal calculators of the British intelligence apparat -- are complex, textured, surprising. The physical descriptions are wonderful. And the plot is relentless, a driving adventure story with intrigue, battle, sacrifice, and betrayal.“ (Quelle: http://boingboing.net/2010/04/13/bitter-sands-alterna.html. Dazu sollte man vielleicht sagen, dass Doctorow Tregillis mal bei einem Workshop unterrichtete. Aber trotzdem hat er so etwas nicht über jeden seiner Schüler verlauten lassen.

Donnerstag, 5. Februar 2015

Christopher Fowler: Der Höllenexpress



Es gibt internationale Autoren, da fragt man sich, warum zum Teufel wird dieser Mist ins Deutsche übersetzt. Ich will jetzt keine Namen nennen, aber mir würden auf Anhieb einige einfallen. Und dann gibt es Autoren, da fragt man sich, warum wird nicht jedes verdammte Buch von denen ins Deutsche übersetzt. Christopher Fowler gehört eindeutig in diese Kategorie. Anfang der 1990er Jahre erschienen seine ersten Romane noch bei Bastei Lübbe. Das waren 1989 Über den Dächern von London (Roofworld, 1988), 1992 Die rote Braut (Red Bride, 1992), 1993 Runen (Rune, 1990), 1994 Die Gilde der Nacht (Darkest Day, 1993) und 1995 Spanky (Spanky, 1994). Seitdem herrschte absolute Flaute, was deutschsprachige Veröffentlichungen angeht. Das lag aber nicht daran, dass Fowler seitdem nichts mehr geschrieben hat. Im Gegenteil, in schöner Regelmäßigkeit erscheint im Vereinigten Königreich ein neuer Roman oder gar ein Band mit Kurzgeschichten. Und nicht nur das: Die Sachen sind auch noch erfolgreich. Allen voran seine Serie um die beiden Detektive Bryant & May, die bei der Peculiar Crimes Unit (Abteilung für sonderbare Verbrechen) arbeiten, von der es mittlerweile zehn Bücher gibt und die nächsten in den Startlöchern stehen. Und ist eines dieser Bücher, für die zweifelsohne ein Markt in Deutschland vorhanden wäre – eher als für seine Storysammlungen und Horrorromane vermutlich – bei einem deutschen Verlag erschienen? Nein.

Umso erfreulicher, dass sich der Luzifer Verlag seines Ende 2011 erschienenen Romans Hell Train angenommen hat und ihn in der Übersetzung von Stefan Mommertz Ende 2014 dem deutschsprachigen Publikum zugänglich gemacht hat. Das einzige Manko ist, dass sich nach der Lektüre dieses sehr guten Romans ein gewisses Gefühl der Enttäuschung einstellt. Weil man nämlich, merkt, was für ein großartiger Autor einem vorenthalten wird, wenn man nicht auf die Originalfassungen zurückgreifen kann oder möchte. Ich hege noch ein klein wenig Hoffnung, dass sich irgendwann ein Verlag, an seine Bryant & May-Serie heranwagt. Aber für seine Kurzgeschichten und seine beiden autobiographischen Bücher (Paperboy und Film Freak) sehe ich eher schwarz. Für die beiden Romane, die nach Hell Train abseits der Bryant & May-Serie erschienen sind (Plastic und Nyctophobia) wünsche ich Der Höllenexpress einen so großen Erfolg, dass Steffen Janssen vom Luzifer Verlag gar nicht anders kann, als diese auch zu veröffentlichen.

Donnerstag, 29. Januar 2015

Stephen Hunter: Nachtsicht



Bob Lee Swagger, Vietnam-Veteran und Scharfschütze,  ist der Held von Stephen Hunters Romanreihe, dessen zweiter Band Black Light unter dem Titel Nachtsicht nun zum ersten Mal in deutscher Übersetzung vorliegt. Aber dieser 1996 in den USA erschienene Roman ist mehr als der zweiter Band der Bob-Lee-Swagger-Reihe: In der Danksagung zu Nachtsicht schreibt Hunter, dass es der Abschluss einer Trilogie sei, zu der er neben dem ersten Band der Swagger-Reihe Point of Impact (deutsch: Shooter, Festa 2014), auch den Roman Dirty White Boys zählt. Hier muss ich übrigens auf einen kleinen Fehler hinweisen: Als Anmerkung steht in der Danksagung, dass Dirty White Boys noch nicht auf Deutsch erschienen ist. Das ist so nicht ganz richtig. Der Roman erschien 1997 unter dem Titel Die Gejagten schon einmal bei List. Allerdings hege ich die Vermutung, dass bei dieser Übersetzung, wie auch schon bei der Deutschen Erstausgabe von Point of Impact (Im Fadenkreuz der Angst, List 1994), Kürzungen vorgenommen worden sind. Also muss man dem Festa Verlag dankbar sein, dass er nach Shooter in seiner Crime-Reihe nun den zweiten Bob-Lee-Swagger-Roman in ungekürzter Übersetzung herausbringt und hoffen, dass auch die weiteren Swagger-Romane folgen werden.

Zwei Jahre nach Black Light erschien 1998 nämlich der dritte Bob-Lee-Swagger-Band und nach der erfolgreichen Verfilmung von Point of Impact (Shooter, 2006, Regie: Antoine Fuqua) mit Mark Wahlberg reaktivierte Hunter seine erfolgreiche Figur und liefert seitdem in schöner Regelmäßigkeit neue Romane mit dem Scharfschützen (und sogar einen mit seinem unehelichen Sohn) ab. Aber auch in den Jahren zwischen dem dritten und vierten Roman der Reihe ließ die Familie Swagger den Autor nicht los. Er schrieb drei Bücher, in denen Bob Lees Vater Earl die Hauptfigur war. Und um ebendiesen Vater geht es auch zum großen Teil in Nachtsicht, denn nicht umsonst ist der Untertitel des Romans "Er jagt die Mörder seines Vaters".

Donnerstag, 15. Januar 2015

Christian Sidjani (Hrsg.): Horror Legionen II


Die in meiner Besprechung (hier) des ersten von Doc Nachtstrom im Sommer 2013 herausgegebenen  Bandes der Horror Legionen schon angekündigte Fortsetzung erschien  Ende des Jahres 2014 endlich im Amrûn Verlag . Was hat sich nun im zweiten Band geändert? Zunächst einmal hat der Herausgeber gewechselt. Der Hamburger Autor Christian Sidjani zeichnete sich diesmal für die Auswahl der Geschichten und  das Vorwort der Anthologie verantwortlich. Und noch etwas sticht sofort ins Auge: Das von Mark Freier gestaltete Cover ist um Längen besser als das Cover der ersten Horror Legionen. Aber das Konzept ist das Gleiche geblieben. Es wird versucht, einen Querschnitt der deutschsprachigen Horrorliteratur anhand von Kurzgeschichten zu zeigen.

Insgesamt 19 Autoren folgten Sidjanis Aufruf und lieferten 18 Kurzgeschichten für den Almanach deutscher Horror-und-Mystery-Autoren - so der Untertitel - ab. Da kein Thema vorgegeben war, ist es nur logisch, dass ein breites Spektrum abgedeckt wurde. Da bleibt es nicht aus, dass nicht jedem Leser, jede Erzählung gefallen wird, wie der Herausgeber auch in seinem Vorwort feststellt: „Es mag sein, dass nicht jede Geschichte, dir auf der Reise gefällt, aber du wirst feststellen, wie facettenreich Horror sein kann.“ Und damit hat er voll und ganz Recht.  

Auch die Frage mit der Sidjani sein Vorwort eröffnet ist klug gewählt. Er fragt nicht: "Was ist Horror?", sondern er fragt: „Was ist Horror für dich?“. Denn kein anderes Genre hat so individuell festgelegte Grenzen wie Horror. Die Frage, wann hört der Thriller auf und wann fängt der Horrorroman an, kann nur jeder für sich selbst beantworten. Und die Abgrenzung zum Thriller ist nicht die einzig schwierige. Ist z.B. Alien eher ein Science-Fiction- oder ein Horrorfilm? Ich kann das nicht eindeutig beantworten. Und was für den einen der größte Alptraum überhaupt ist, ringt der anderen vielleicht gerade mal ein müdes Lächeln ab.  Horror oder vielleicht Furcht allgemein, denn das ist das Gefühl, was diese Art Literatur erzeugen will,  ist ein sehr persönliches Gefühl. Wenn man nun mit dieser Prämisse an dieses Buch herangeht, wird man nicht enttäuscht. Einige der besten deutschen Genrevertreter zeigen, warum sie zurecht für diese Anthologie ausgewählt worden sind. Von anderen hat man durchaus schon Besseres gelesen. Aber vielleicht ist das ja auch nur mein subjektives Empfinden. Gehen wir also in medias res  und betrachten die Erzählungen im Einzelnen:

Freitag, 9. Januar 2015

Sarah Pinborough & F. Paul Wilson: Die letzte Plage


Diese Kollaboration der britischen Autorin Sarah Pinborough mit dem US-amerikanischen Schriftsteller F. Paul Wilson (bekannt vor allem durch seine Handyman-Jack-Romane) war im letzten Jahr für den Stoker Award, dem wohl renommiertesten amerikanischen Preis für Horrorliteratur, nominiert und musste sich am Ende nur Stephen Kings DOCTOR SLEEP geschlagen geben. Es ist beileibe keine Schande gegen King zu verlieren, aber auch DIE LETZTE PLAGE wäre ein wahrhaft würdiger Preisträger gewesen. Der Luzifer Verlag hat sich die deutschen Rechte für diesen Roman an Land gezogen und so kommen wir recht früh zu dem Vergnügen, diese exzellente Dystopie in übersetzter Fassung lesen zu können.

Die Menschheit geht zu Grunde. Diesmal sind es keine Zombies oder irgendwelche Killerviren, die dem Homo Sapiens den Garaus machen, sondern es sind mutierte Fliegen, durch deren Bisse Menschen an einer in drei Tagen tödlich verlaufenden Autoimmunkrankheit erkranken. Erzählt wird die Geschichte des Enthüllungsjournalisten Nigel, der dem Ursprung der zunächst in Afrika aufgetretenen  Mutation auf der Spur ist und seiner Frau Abby, einer an Lupus erkrankten Krankenschwester, die durch ihre Krankheit zurück zum katholischen Glauben gefunden hat. Als Nigels Story über den Ursprung der Seuche ohne wirkliche Verifizierung an die Öffentlichkeit gerät, passiert ein Unglück (der vermeintliche Verursacher der Mutation und seine Familie werden gelyncht), dass er dadurch zu kompensieren versucht, ein verschwundenes Kind wiederzufinden. Währenddessen hört die Zivilisation, wie wir sie kennen, auf zu existieren.

Donnerstag, 8. Januar 2015

Cheryl Kaye Tardif: Wilder Fluss


Laut Klappentext ist dieser Roman ein Thriller um Stammzellenforschung, Klontechnik und Weltherrschaftspläne. Das hört sich eigentlich recht interessant an und ein wenig entwickelt sich der Roman auch im zweiten Teil in Richtung dieser Themen. Doch zuallererst ist es ein Roman über die Suche einer Tochter nach ihrem vor sieben Jahren verschwundenen Vater.

Die Protagonistin Del Hawthorne, 33 Jahre alt und Professorin für Anthropologie in Vancouver, bekommt einen Hinweis, dass ihr verschwundener und für tot erklärter Vater doch noch lebt. Ein alter Freund des Vaters, der zusammen mit ihm verschwunden war, taucht schwer erkrankt wieder auf und gibt ihr diesen Hinweis. Sie macht sich mit einer Gruppe Freiwilliger auf den Weg zu dem mysteriösen  Fluss (Nahanni River) im Norden Kanadas, wo sich die Spur ihres Vaters verloren hat. Und dort angekommen, werden auch die im Klappentext angesprochenen Themen plötzlich mehr oder weniger relevant. Aber ein Hauptthema lässt sich auch dann nicht ausmachen.

Das hört sich zunächst alles nicht uninteressant  an. Aber so etwas wie Spannung kommt leider an keiner Stelle des Romans auf. Es fängt damit an, dass ausnahmslos alle Figuren Stereotypen darstellen und mit unglaublicher Attraktivität beschenkt wurden (außer den Bösen versteht sich). Del ist hübsch und der ehemalige Assistent ihres Vaters („Mr. Ach-so-sexy“) scheint direkt aus dem Katalog für tolle Kerle entsprungen zu sein.