Donnerstag, 26. März 2015

A.P. Glonn: Die andere Seite der Realität


Die andere Seite der Realität beginnt als Kriminalroman im viktorianischen London. Die Polizei arbeitet gerade an einem der wohl berühmtesten Fälle der Kriminalgeschichte. Jack the Ripper treibt im Bezirk Whitechapel sein Unwesen und der Protagonist des Romans, Inspector Seth Aspen macht Jagd auf ihn. Er verfolgt die Spur des Frauenmörders bis über den Großen Teich und sogar darüber hinaus. Denn während seiner Jagd tritt er in eine andere Welt über, eben auf Die andere Seite der Realität. Er befindet sich plötzlich in einer Fantasywelt, wo zwar auch Menschen leben, die aber allesamt magische Fähigkeiten besitzen. Er freundet sich dort mit einigen Personen an, u.a mit so genannten Shadowwalkers, die schnell - durch die Schatten – von einem Ort zum nächsten gelangen, und Gestaltwandler, wie z. B. eine Art Werwolf. Aber natürlich ist Seth Aspen auch weiterhin dem Ripper auf der Spur, der seine Wurzeln auf dieser Seite der Realität hat. Dazu lernt auch einiges über sich selbst kennen.

Soweit kurz und knapp die Storyline von A.P. Glonns Roman, der 2014 im Luzifer Verlag erschienen ist. Der Roman hat seine Stärken im ersten Teil, als die Mörderjagd der Londoner Polizei beschrieben wird. Das ist richtig gut gemacht. A.P. Glonn fängt die Atmosphäre des nebelverhangenen Londons im ausgehenden 19. Jahrhundert wunderbar ein, tut das aber in einer Sprache, die keineswegs altbacken ist. Da verzeiht man es auch, wenn manche Modernismen in der wörtlichen Rede für die Zeit unpassend wirken. Wenn sie diesen Weg weiterbeschritten hätte, wäre vermutlich ein guter bis sehr guter klassischer Kriminalroman daraus werden können.

Donnerstag, 19. März 2015

Kealan Patrick Burke: Timmy Quinn - Der Schildkrötenjunge & Die Häute


Acht Jahre nachdem Der Schildkrötenjunge erstmals bei Eloy Edictions in deutscher Sprache erschien und etliche Jahre nachdem der zweite Teil der Timmy-Qinn-Serie Die Häute erstmals angekündigt wurde (ebenfalls bei Eloy), erschien 2014 endlich bei Voodoo Press ein Buch, das diese beiden Erzählungen in einem Band beherbergt. The Turtle Boy gewann 2004 den Stoker Award für Long Fiction (ich weiß nicht, was die adäquate Übersetzung für diese Kategorie zwischen der Kurzgeschichte und dem Roman ist) und The Hives war im Jahr darauf als bester Debütroman nominiert.

Kealan Patrick Burke gilt als eines der größten Talente im Horror-Genre, obwohl Talent bei einem Autor, der seit über zehn Jahren dabei ist und mehrere Romane, unzählige Kurzgeschichten und noch etliche Werke, deren Längen dazwischen liegen, veröffentlicht hat, wohl nicht mehr ganz stimmt. Seine Timmy-Quinn-Serie, die aus fünf mehr oder weniger langen Erzählungen besteht, soll nun in drei Bänden komplett auf Deutsch erscheinen. Dem Genreleser wird es freuen.

Donnerstag, 12. März 2015

Vanessa Kaiser & Thomas Lohwasser (Hrsg.): Dunkle Stunden


Nachdem das Autoren-Duo Vanessa Kaiser und Thomas Lohwasser schon seit einigen Jahren mit Kurzgeschichten in einigen Anthologien vertreten war (für die Erzählung „Das Herz des Jägers“ aus Lothar Misckes Anthologie Geschichten unter dem Weltenbaum gab es 2011 des Deutschen Phantastik Preis), haben sich die beiden nun daran gewagt, selbst eine Anthologie herauszugeben. Sie starteten eine Ausschreibung und suchten Kurzgeschichten, die sich mit dem Thema Dunkelheit befassten. Da  gerade dieses Thema von vielen Seiten aus beleuchtet werden kann, verwundert es nicht, dass auf ihren Aufruf ca. 300 Geschichten eingesandt wurden. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was für ein Aufwand es gewesen sein muss, diese 300 Geschichten zu lesen und auf ihre Tauglichkeit (in mehrerlei Hinsicht) für die Anthologie zu prüfen. Schon alleine dafür möchte ich Vanessa Kaiser und Thomas Lohwasser meinen Respekt aussprechen.

Übrig geblieben sind 25 Kurzgeschichten, die im Oktober 2014 in dem Band Dunkle Stunden publiziert wurden. Wie schon erwähnt, gibt es natürlich verschiedene Herangehensweisen an das Thema Dunkelheit. Daraus ergibt sich, dass diese Sammlung sehr abwechslungsreich ist. Ich wage zu behaupten, das  für jeden etwas dabei ist. Aber genauso wird jeder Leser Geschichten finden, mit denen er rein gar nichts anfangen kann – sei es thematisch oder wegen des Stils. Nichtsdestotrotz bleibt beim Verfasser dieser Zeilen ein positiver Gesamteindruck nach der Lektüre des Buches hängen. Aber ich gehe, wie bei meinen Anthologiebesprechungen üblich, zunächst auf die einzelnen Erzählungen ein. Da es 25 an der Zahl sind, versuche ich mich so kurz wie möglich zu halten, damit die Länge dieser Rezension nicht ausartet. Damit werde ich natürlich den meisten Erzählungen nicht gerecht und bitte vorher um Entschuldigung.

Montag, 9. März 2015

Stefan Melneczuk: Wallenstein

Stefan Melneczuks Thriller Wallenstein ist, wie er selbst im Nachwort schreibt, der letzte Roman einer Reihe von drei Romanen, die mit Marterpfahl begann und mit Rabenstadt fortgesetzt wurde. Und Melneczuk nennt in seinem Nachwort auch gleich das gemeinsame Thema der Romane: Verlust. Marterpfahl handelt vom „Verlust von Unschuld und Freundschaft“, Rabenstadt vom „Verlust von Freiheit und Moral“ und Wallenstein vom „Verlust von Liebe“.

Und zwar ist es hier der Ex-Polizist Richard Wagner, der seine Frau und große Liebe durch einen Unfall verloren hat. In den Gegenwart übertitelten Kapiteln erleben wir Wagner kurz nach dem Tod seiner Frau. Wir lernen einen Mann kennen, der trauert, und noch nicht weiß, ob und wie er den Weg zurück ins Leben findet. Die gegenwärtige Handlung wechselt sich ab, mit Geschehnissen aus dem Jahr 1987: Richard Wagner ermittelt als junger Polizist an dem Fall eines Mörders, der im Volksmund das „Nachtgespenst“ heißt, weil er ein Bettlaken über den Kopf gezogen hat, wenn er sich seinen Opfern nähert.  Nun changiert die Handlung zwischen den beiden Zeitebenen. Auf der einen Seite, die Verbrecherjagd, auch mit Szenen aus der Sicht des fiktiven Mörders, der übrigens den realen "Kirmesmörder" Jügen Bartsch als Vorbild hat (interessanterweise hauptsächlich im Präsens geschrieben); auf der anderen Seite der trauernde Mann, der nicht loslassen kann, und das Gefühl hat, seine Frau sei immer noch „irgendwie“ bei ihm. So kommen auch gewisse übersinnliche Elemente ins Spiel, die aus diesem Thriller einen Mystery-Thriller machen. 

Donnerstag, 5. März 2015

David Cronenberg: Verzehrt

Der Filmregisseur David Cronenberg hat nun im fortgeschrittenen Alter sein Romandebüt vorgelegt und es damit gleich auf die Short List der Stoker Awards in der Kategorie bestes Romandebüt geschafft. Aber ob der Roman wirklich in die vom Stoker Award berücksichtigten Kategorien passt, sei erst einmal dahingestellt.

Verzehrt erzählt vordergründig die Geschichte des Journalistenpärchens Naomi Seberg und Nathan Math, die an scheinbar unterschiedlichen Stories arbeiten.  Er ist zunächst bei einem ungarischen Arzt, der in Budapest dubiose Brustoperationen durchführt, und anschließend in Toronto, wo er Dr. Barry Roiphe trifft, dem Entdecker und Namensgeber einer seltenen Geschlechtskrankheit, die sich Nathan in Budapest selbst eingefangen hat. Naomi ist in Paris und recherchiert in einem obskuren Mordfall, in dem der männliche Part des französischen Philosophenpaares Aristide und Celestine Arosteguy den weiblichen umgebracht und verspeist, oder sollte ich eher schreiben verzehrt, haben soll. Im Rahmen ihrer Nachforschungen folgt Naomi dem Philosophen auch nach Tokio, um seine Version der Geschichte zu erfahren.