Der Filmregisseur David
Cronenberg hat nun im fortgeschrittenen Alter sein Romandebüt vorgelegt und es damit gleich auf die Short List der Stoker Awards in der Kategorie bestes
Romandebüt geschafft. Aber ob der Roman wirklich in die vom Stoker Award berücksichtigten
Kategorien passt, sei erst einmal dahingestellt.
Verzehrt erzählt vordergründig die Geschichte des
Journalistenpärchens Naomi Seberg und Nathan Math, die an scheinbar
unterschiedlichen Stories arbeiten. Er
ist zunächst bei einem ungarischen Arzt, der in Budapest dubiose
Brustoperationen durchführt, und anschließend in Toronto, wo er Dr. Barry
Roiphe trifft, dem Entdecker und Namensgeber einer seltenen
Geschlechtskrankheit, die sich Nathan in Budapest selbst eingefangen hat.
Naomi ist in Paris und recherchiert in einem obskuren Mordfall, in dem der
männliche Part des französischen Philosophenpaares Aristide und Celestine
Arosteguy den weiblichen umgebracht und verspeist, oder sollte ich eher
schreiben verzehrt, haben soll. Im Rahmen ihrer Nachforschungen folgt Naomi dem
Philosophen auch nach Tokio, um seine Version der Geschichte zu erfahren.
Das ist grob umrissen die
Handlungslinie von Verzehrt, und zwar
sehr grob. Denn dann sind da noch die interessanten Nebenfiguren, die mehr als
wichtig für den Fortgang der Handlung sind:
ein ehemaliger Student der Arosteguys, der ungarische Chirurg und seine
Patientin, Dr. Roiphe und seine Tochter sowie eine japanische Freundin Naomis. Und wenn man mit Cronenbergs filmischen
Oeuvre vertraut ist, wird es nicht verwundern, dass nahezu jede dieser
Figuren körperlich und/oder seelisch
lädiert ist. Der eine leidet an der Peyronie-Krankheit (Penisverkrümmung), der
andere hat die (erfundene) Roiphe-Krankheit, dazu ist Kannibalismus auch noch
alles andere als normal, genauso wie sich selbst Stücke aus dem Körper zu
entfernen und diese dann zu essen. Das
ist Body-Horror, wie man ihn aus Cronenbergs Filmen kennt, also doch
genre-kompatibel.
Cronenbergs Roman ist gespickt
mit Verweisen zum Medium Film. Die Amerikanerin in Paris heißt Seberg, der
junge Philosoph hat für Naomi eine Attitüde wie Jean-Pierre Leaud, Cinema verité und
tschechische Filme werden zum Vergleich herangezogen. Man merkt, dass hier ein
Filmkenner am Werk ist. Dazu sind die Seberg und Math geradezu technikversessen,
sie haben immer das neueste digitale Equipment (meistens in einem
Flughafenladen gekauft) und definieren sich über den Konsum. Da passt dann
wieder die Konsumismus genannte Philosophie der Arosteguys. Nicht umsonst
lautet der Originaltitel des Romans Consumed,
was weitaus mehrdeutiger ist, als der deutsche Titel. Aber auch hier reichen
die Zeilen nicht aus, die Anspielungen aufzuzeigen, die ich entdeckt habe, und
das wird vermutlich nur ein Bruchteil der Anspielungen sein, die Cronenberg gemacht hat.
David Cronenberg: Verzehrt
Titel der amerikanischen Originalausgabe: CONSUMED (2014)
Übersetzung: Tobias Schnettler
Umschlaggestaltung: Gundula Heißmann und Andreas Heilmann
S. Fischer, Oktober 2014
400 Seiten
22,99 € (Hardcover)
ISBN: 9783100102331
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