Montag, 8. Juni 2015

Bryan Smith: Blutgeil


Blutgeil ist mittlerweile der neunte Titel von Bryan Smith,  der im Festa Verlag innerhalb von drei Jahren  erschienen ist. Damit darf man wohl mit Fug und Recht behaupten, dass Smith im Moment, neben Edward Lee so etwas wie eines der Zugpferde des Verlags zu sein scheint. Blutgeil ist die Fortsetzung von Todesgeil, der 2012 als dritter Smith-Roman seinen Weg zu den deutschsprachigen Lesern fand. Die Geschichte von Roxie, die sich an einer Gruppe Collegekids rächen will, dabei aber auch vor anderen Blut- und Schandtaten nicht zurückschreckt und in einem furiosen Finale in Myrtle Beach endet, ist vor drei Jahren von der deutschen Horrorkritik recht gut aufgenommen worden ist. Carmen Weinand bescheinigte dem Buch auf ihrem Blog Horror and more es sei  „zugleich tiefgründig und unterhaltsam“ sowie „actionreich, spannend und genial abartig“ (http://testwerkstatt.blogspot.de/2012/06/todesgeil-bryan-smith.html).  Bei Literra.de wiesen sowohl  Florian Hilleberg („Todesgeil ist keine stupide Aneinanderreihung von Brutalitäten und pornografischen Szenen, sondern darüber hinaus auch eine erschreckende Achterbahnfahrt in die Abgründe der menschlichen Psyche.“- http://www.literra.info/rezensionen/rezension.php?id=5798) als auch Elmar Huber („Bryan Smith … nutzt die Zeit zwischen den Gewaltspitzen zur durchaus gelungenen Charakterisierung und Entwicklung seiner Figuren“ -  (http://www.literra.info/rezensionen/rezension.php?id=6057) auf die gelungenen Charakterzeichnungen hin. Und Torsten Scheib zieht in seiner Besprechung des Romans bei Fantasyguide.de – wie auch die meisten anderen Rezensenten – Parallelen zu den Genregrößen Richard Laymon und Jack Ketchum: „Es wird gefoltert, vergewaltigt, verstümmelt und getötet, was das Zeug hält – und dies so hartherzig und deutlich, dass es selbst ein Richard Laymon zu Glanzzeiten schwer gegen seinen inoffiziellen Nachfolger gehabt hätte. Jedoch ist dieses grausige Sammelsurium der Abartigkeiten keine sinnfreie Splatterorgie, sondern integrer Bestandteil einer wirklich gelungen Story.“ (http://fantasyguide.de/12669/).

Die Originalfassung von TodesgeilThe Killing Kind – erschien 2010 bei Leisure Books einem Imprint von Dorchester Publishing. Nach einigen Querelen und Zahlungsschwierigkeiten, nachdem Dorchester Publishing zu einem reinen E-Book und Print-on-Demand-Verlag umgewandelt wurde - u.a. gab es 2011 einen von Brian Keene angeführten Boykott ehemaliger Autoren - übernahm 2012 Amazon die Rechte an den dort verlegten Büchern und bot den Autoren die Gelegenheit bei  Amazon Publishing zu veröffentlichen. Die Autoren, die nicht bei Amazon veröffentlichen wollten, bekamen die Rechte an ihren Werken zurück und konnten sich selbst neue Veröffentlichungswege suchen. Bryan Smith entschied sich bei The Killing Kind 2 dafür, das Werk bei Create Space, dem Print-on-Demand-Service von Amazon in Eigenregie herauszubringen. Gleichzeitig erschien auch eine auf 64 Exemplare limitierte Hardcover-Fassung bei Thunderstorm Books. Die deutsche Fassung Blutgeil erscheint nun, nur ein Jahr nach der Originalfassung , als Nummer 85 in der Reihe HORROR & THRILLER (vormals HORROR-TB)des Festa Verlags  in der Übersetzung von Claudia Rapp.

Blutgeil spielt vier Jahre nach den Ereignissen von Myrtle Beach, die in Todesgeil beschrieben worden sind. Die Überlebenden des finalen Massakers haben die vier Jahre unterschiedlich verbracht. Roxie, die psychopatische Verursacherin des Ganzen, ist gänzlich untergetaucht; Rob Scott ihr Entführungsopfer und Kurzzeitfreund wurde gefasst und wegen Beihilfe vier Jahre ins Gefängnis gesteckt; Julie Cosgrove nicht minder psychopathische Bloggerin und Mittäterin wurde freigesprochen, machte es sich in der Opferrolle bequem und zog finanzielle Vorteile aus der Situation; im Gegensatz dazu Emily Sinclair, das Umfeld der reichen, verwöhnten jungen Frau, die auch ihren Gefallen an den sadistischen Spielen gefunden hatte, nahm  ihr trotz Freispruchs die Opferrolle nicht ab, und so begann ihr sozialer Abstieg – zwar nicht nach ganz unten, aber in ihrer Meinung nach ganz und gar nicht angemessene Gefilde; zuletzt noch Chuck Kirby, der die Tötung seiner Freundin in Todesgeil nicht verkraftet hat und in eine Depression gefallen ist.

Das Geschehen des Romans setzt nun zu dem Zeitpunkt an, als Rob aus dem Gefängnis entlassen wird. Er findet Unterkunft bei Jane Middleton, die er durch einen Briefaustausch im Knast kennengelernt hat. Wie alle weiblichen Figuren in diesem Buch hat ist auch Jane eine gewaltigst gestörte Persönlichkeit. Sie versucht in Aussehen und Charakter Roxie zu kopieren und macht Rob zu ihrem gefügigen Handlanger, der das zwar nicht will, aber sich trotzdem seltsam von der dominanten Art und Weise Janes angezogen fühlt. Julie hingegen ist zwar reich, aber ihr fehlt etwas, und zwar der Kick, den sie bekommen hat, als sie getötet hat. Sie ist sich aber noch unschlüssig, ob sie ihren erreichten Standard durch unüberlegte Handlungen in Gefahr bringen soll. Emily hat, was das anbelangt, mehr Glück. Ein seltsamer Zufall hat vor einiger Zeit den sturzbetrunkenen Chuck vor ihre Haustür geführt. Sie hat die Gelegenheit genutzt, dass ihn in seinem Zustand niemand vermissen würde, hält ihn seitdem in ihrem Keller gefangen und arbeitet ihre sadistischen Neigungen an ihm ab, während sie sonst über das Internet mit ihren „Fans“, die ihre Gewaltfantasien chic finden, flirtet.

Und nun greift Roxie ins Geschehen ein. Sie hat die Vorstellung, dass sich die Überlebenden von Myrtle Beach wieder zusammentun und sie wieder mit ihrem Ex-Freund Rob zusammen sein kann. Aber nachdem sie Emily und Julie schon wieder mit ins Boot geholt hat und den armen Chuck zusammen mit Emily noch ein wenig weiter gefoltert hat, läuft bei der Zusammenkunft mit Rob etwas aus dem Ruder. Und da kommt dann Emilys Internetbekanntschaft Warren Everett, ein Milliardär mit seltsamen Vorlieben, ins Spiel. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Er bietet den mittlerweile Sechsen an, an einem Wettbewerb mitzumachen. Drei Zweierteams (Roxie  & Rob, Julie & Emily, Jane & Chuck) sollen unter gewissen Umständen Morde verüben. Sie werden dabei gefilmt, diese Filme werden einer gewissen Zuschauerschaft online zugänglich gemacht und das Publikum stimmt ab, wessen Taten “am besten“ ankamen. Den Siegern winkt ein sorgenfreies Leben auf einer einsamen Luxusinsel. Und selbst diejenigen, die zunächst Skrupel haben, liefern, was man von ihnen erwartet.

Neben den handelnden Personen sind auch die übrigen Ingredienzen von Todesgeil in Blutgeil zu finden.  Es wird auch hier gefoltert, verstümmelt und getötet. Dazu kommen dann noch einige sexuelle Eskapaden, die man durchaus als eher abseits der Norm betrachten dürfte. Smith geizt nicht mit expliziten Darstellungen jeglicher Hinsicht. Dennoch besitzt er eine Gabe, die vielen seiner Kollegen – gerade im Extrem-Horror-Bereich – abgeht: Er kann auch mal wegblenden. Der Leser erfährt zwar, was passiert, aber er kriegt nicht jedes kleine Detail unter die Nase gerieben. Genau das macht seine Gewaltbeschreibungen um einiges eindrucksvoller, als manch anderes beschriebenes Gemetzel, wo man glaubt, dass die  jeweiligen Autoren sich in einem Wettbewerb befinden, wer die meisten Liter Körperflüssigkeit pro Seite vergießen lassen kann.  Smith erfindet zwar in Blutgeil einige sehr kranke und abgefahrene Szenen, aber dadurch, dass er nicht die kleinste Kleinigkeit beschreibt, sondern auch mal einfach nur eine der Figuren in zwei, drei Sätzen über ein vorhergehendes Vergehen erzählen lässt, überlässt er der Fantasie des Lesers einigen Spielraum. Das kann mitunter krasser sein, als wenn alles vorgegeben ist.

Gerade auch mit dieser zwar kompromisslosen, aber nicht unbedingt voyeuristischen Erzählhaltung festigt Smith für mich die Position, die er in meinen Augen unter den aktuellen Festa-Autoren innehat. Edward Lee ist für mich beispielsweise der Satiriker und Wrath James White der Gesellschaftskritiker unter diesen, aber Smith ist für mich so etwas wie der Filmemacher. Seine Bücher würden sicher sehr gute Vorlagen für Drehbücher abgeben, die auch realisiert werden könnten.  Es beschert dem Leser keine „Nahaufnahmen“  expliziter Gewalt und benutzt das gerade bei Horrorfilmen beliebte Mittel eines Wettbewerbs, dem sich seine Protagonisten stellen müssen. Ob das Spiel und seine Zurschaustellung im Internet auch noch eine Art Medienkritik darstellen soll, sei dahingestellt. Wenn es denn so sein sollte, wäre der Versuch kläglich gescheitert, denn die Auswüchse sogenannter Snuff-Videos werden eher einfach nur dargestellt als in irgendeiner Weise hinterfragt.  Und dann ist natürlich die Tatsache, dass dieser Roman ein Sequel ist, auch ein Beleg, dass sich Smith eher an filmische Vorbilder hält, als an literarische – wenn man von Autoren wie Laymon und Ketchum, die  in ähnlichen Bereichen unterwegs sind (waren), absieht.

Aber genau ist auch der Haken, den ich bei dem Buch sehe. Wie vielen anderen Sequels gelingt es auch Blutgeil nicht, an die Klasse des Erstlings heranzukommen. Waren bei Todesgeil, die Figuren noch etwas ambivalent , sind – vor allem die weiblichen – jetzt mehr oder weniger eindimensional, alle sind psychopathische Killer. Die Jungs lassen zwar ab und an noch Zweifel durchblicken, lassen sich aber praktisch ohne Gegenwehr zu den widerlichsten Taten überreden. Außerdem bleibt die Glaubwürdigkeit zu sehr auf der Strecke. Konnte man sich in Todesgeil noch einigermaßen zusammenreimen, warum die Taten zunächst keine Wellen schlugen und niemand sie ernsthaft verfolgte, müssen die Figuren in Blutgeil zwar manchmal abtauchen, aber trotzdem wirkt es in keinster Weise glaubhaft, dass man ihrer nicht habhaft wird.

Aber seit wann ist Glaubwürdigkeit ein Qualitätskriterium im Horrorgenre? Also kann man diesen Einwand auch gerne beiseiteschieben. Denn trotz der erwähnten Defizite ist Blutgeil genau das, was es sein möchte. Ein brutaler, erschreckender und auch teilweise abstoßender Horrorroman ohne übersinnliche Aspekte. Der Mensch ist in diesem Roman das Monster. Da gibt es natürlich ein paar Überzeichnungen und einige Szenen sind mit Sicherheit nur ins Buch gekommen, um zu zeigen, auf was für abartige Ideen Smith kommen kann und nicht, um die Handlung in irgendeiner Weise voranzutreiben. Aber wie oben schon erwähnt, hält sich Smith auch manchmal angenehm zurück.

Und so komme ich zu dem abschließenden Urteil, dass der Roman auf seine Art und Weise zwar äußerst unterhaltsam ist, aber dennoch wirft sich – wie bei vielen Fortsetzungen – die Frage auf: Musste das wirklich sein? Todesgeil ist ein sehr guter für sich alleine stehender Roman. Hätte Smith nicht etwas Neues konzipieren können anstelle dieses -  zweifellos nicht schlechten – Sequels? Nichtsdestotrotz: bei den meisten, denen die erste Geschichte um Roxie und Co. zugesagt hat, wird auch Blutgeil Gefallen finden und somit bleibt es wohl nicht ausgeschlossen, dass es noch zu weiteren Sequels kommen wird.

Bryan Smith: Blutgeil
Titel der amerikanischen Originalausgabe: THE KILLING KIND 2 (2014)
Übersetzung: Claudia Rapp
Festa Verlag, April 2015
383 Seiten
13,95 € (Taschenbuch)
ISBN: 9783865523471

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