Donnerstag, 19. März 2015

Kealan Patrick Burke: Timmy Quinn - Der Schildkrötenjunge & Die Häute


Acht Jahre nachdem Der Schildkrötenjunge erstmals bei Eloy Edictions in deutscher Sprache erschien und etliche Jahre nachdem der zweite Teil der Timmy-Qinn-Serie Die Häute erstmals angekündigt wurde (ebenfalls bei Eloy), erschien 2014 endlich bei Voodoo Press ein Buch, das diese beiden Erzählungen in einem Band beherbergt. The Turtle Boy gewann 2004 den Stoker Award für Long Fiction (ich weiß nicht, was die adäquate Übersetzung für diese Kategorie zwischen der Kurzgeschichte und dem Roman ist) und The Hives war im Jahr darauf als bester Debütroman nominiert.

Kealan Patrick Burke gilt als eines der größten Talente im Horror-Genre, obwohl Talent bei einem Autor, der seit über zehn Jahren dabei ist und mehrere Romane, unzählige Kurzgeschichten und noch etliche Werke, deren Längen dazwischen liegen, veröffentlicht hat, wohl nicht mehr ganz stimmt. Seine Timmy-Quinn-Serie, die aus fünf mehr oder weniger langen Erzählungen besteht, soll nun in drei Bänden komplett auf Deutsch erscheinen. Dem Genreleser wird es freuen.

Denn schon in seiner 2004 erstmalig erschienenen Erzählung Der Schildkrötenjunge hat Burke bewiesen, dass er sich mit den Großen des Horrors messen kann. Und dabei hat er sich gleich auf ein Terrain gewagt, in dem es schon riesige Fußspuren gab. Wenn man hört, dass der Protagonist ein 11-jähriger Junge ist, der in einem Sommer eine Entdeckung macht, die sein Leben verändert, dann denkt man gleich an Stephen Kings Werke Die Leiche oder Es, die ähnliche Themen haben.

Timmy Quinn erfährt also in jenem Sommer, dass er die Gabe besitzt, mit toten Menschen zu kommunizieren, und diese ihn auch dazu benutzen sich an denjenigen zu rächen, die Schuld an ihrem Ableben sind. Der Schildkrötenjunge ist ein solcher Toter, der sich Timmy zeigt. In den knapp 100 Seiten der Erzählung schafft es Burke eine Atmosphäre aufzubauen, dass man beim Lesen glaubt, den schwülen Sommer Ohios direkt mitzuerleben. Wie er das in so einem frühen Werk hinkriegt, lässt erahnen, welches Potential in ihm schlummert. Er kommt zwar nicht ganz an Kings Meisterwerke Die Leiche oder Es heran, aber an die kam King selbst in seinen frühesten Werken auch selten heran.

Die Häute spielt sechs Jahre später. Timmy ist mittlerweile 17 und seine Eltern trennen sich. Timmy geht mit seinen Vater in dessen irische Heimat, auch um vor seiner Fähigkeit und deren Folgen davonzulaufen. Aber das kann er nicht. In Irland begegnet er auch verstorbenen Menschen. Die Häute ist gut und gerne doppelt so lang wie Der Schildkrötenjunge. Es beginnt mit einem Prolog, wo Timmy seine Gabe noch einmal in den USA benutzt. Im zweiten Drittel kommt Timmy dann in Irland an und lernt ein bisschen etwas über seine Familie und die neue Arbeitsstelle seines Vaters kennen. Das letzte Drittel ist ein actiongeladener Showdown und dieser entschädigt ein wenig für etwas holprige Elemente in der Geschichte, die man den Figuren nicht abnimmt. Beispielsweise geht der Vater nach Irland, weil ihm dort angeblich gute Berufschancen winken. Aber warum arbeitet er dann in einer furchtbar stinkenden Fabrik an einer extrem gefährlichen Maschine? Große Karrieresprünge scheinen das nicht zu sein. Trotzdem merkt man auch dieser Erzählung an, dass Burke ein begnadeter Geschichtenerfinder und Beschreiber ist, auch wenn er hier nicht die Intensität von Der Schildkrötenjunge erreicht. Wie er hier die Fabrik, in der Timmys Vater arbeitet, und die dort zu findenden Schrecken beschreibt - so plastisch können das nicht allzu viele Autoren. Und es ist, wie schon erwähnt, mehr oder weniger sein Debüt-Roman. An den kleineren Fehlern wird er in der Zwischenzeit hoffentlich gearbeitet haben. So darf man auf die nächsten Werke gespannt sein, die demnächst in deutscher Sprache von ihm erscheinen, und das sind nicht wenige.

Timmy Quinn – Der Schildkrötenjunge & Die Häute hat mir einen Autoren näher gebracht, dessen Horror nicht so sehr auf Effekten und Ekel beruht, sondern auf der Erschaffung einer düsteren Atmosphäre. Burke schreibt keinen Horror für zwischendurch. Man muss sich schon auf seine Art und Weise einlassen, um den richtigen Grusel zu erleben. Nichtsdestotrotz schafft er es aber einen nachhaltigen Schauer bei seinen Lesern zu entfachen, was bei plakativeren Genreromanen eher weniger der Fall ist (was sie aber nicht unbedingt schlechter macht). Hoffentlich dauert es nicht allzu lange bis die nächsten Timmy Quinn-Bücher erscheinen. Der Verlag hat angekündigt, die fünf Stories in drei Büchern zu publizieren. Da sich die Frage nach einer bestimmten Schuld heimlich, still und leise durch die beiden ersten Bände zieht, bin ich äußerst interessiert an den nächsten Bänden und der Auflösung des Geheimnisses. Aber noch viel mehr interessiert mich, ob Burke wirklich (noch) besser geworden ist. Der Startpunkt seiner Reise in die literarische Welt war nämlich qualitativ schon relativ weit oben angesiedelt. 

Kealan Patrick Burke: Timmy Quinn - Der Schildkrätenjunge & Die Häute
Titel der Originalausgaben: THE TURTLE BOY, THE HIDES (2004)
Übersetzung: Martin Weber
Umschlagbild: Michael Schubert
Voodoo Press, Oktober 2014 (E-Book, Februar 2014)
280 Seiten
12,95 € (Taschenbuch)
ISBN: 9783902802736

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