Montag, 9. März 2015

Stefan Melneczuk: Wallenstein

Stefan Melneczuks Thriller Wallenstein ist, wie er selbst im Nachwort schreibt, der letzte Roman einer Reihe von drei Romanen, die mit Marterpfahl begann und mit Rabenstadt fortgesetzt wurde. Und Melneczuk nennt in seinem Nachwort auch gleich das gemeinsame Thema der Romane: Verlust. Marterpfahl handelt vom „Verlust von Unschuld und Freundschaft“, Rabenstadt vom „Verlust von Freiheit und Moral“ und Wallenstein vom „Verlust von Liebe“.

Und zwar ist es hier der Ex-Polizist Richard Wagner, der seine Frau und große Liebe durch einen Unfall verloren hat. In den Gegenwart übertitelten Kapiteln erleben wir Wagner kurz nach dem Tod seiner Frau. Wir lernen einen Mann kennen, der trauert, und noch nicht weiß, ob und wie er den Weg zurück ins Leben findet. Die gegenwärtige Handlung wechselt sich ab, mit Geschehnissen aus dem Jahr 1987: Richard Wagner ermittelt als junger Polizist an dem Fall eines Mörders, der im Volksmund das „Nachtgespenst“ heißt, weil er ein Bettlaken über den Kopf gezogen hat, wenn er sich seinen Opfern nähert.  Nun changiert die Handlung zwischen den beiden Zeitebenen. Auf der einen Seite, die Verbrecherjagd, auch mit Szenen aus der Sicht des fiktiven Mörders, der übrigens den realen "Kirmesmörder" Jügen Bartsch als Vorbild hat (interessanterweise hauptsächlich im Präsens geschrieben); auf der anderen Seite der trauernde Mann, der nicht loslassen kann, und das Gefühl hat, seine Frau sei immer noch „irgendwie“ bei ihm. So kommen auch gewisse übersinnliche Elemente ins Spiel, die aus diesem Thriller einen Mystery-Thriller machen. 
Wallenstein hat mich überrascht. Ich bin an das Buch herangegangen, mit zwei möglichen Erwartungen: Entweder versucht mal wieder ein deutscher Autor einen amerikanischen Thriller zu kopieren oder ich bekomme einen Regionalkrimi serviert, weil ja auch schon die beiden Vorgängerromane in der gleichen Gegend - rund um Hattingen (also Ruhrgebiet und Bergisches Land) - spielen. Aber obwohl durchaus Anleihen aus amerikanischen Serienmörderthrillern zu erkennen sind und auch ganz deutlich Lokalkolorit aus den Seiten herausstrahlt, habe ich doch etwas anderes gefunden: Einen deutschen Thrillerautor mit einer eigenen Stimme. Besonders bei spannungsgeladenen Szenen werden kurze und knappe, auf das Notwendige reduzierte Sätze benutzt, die sich aber dann mit längeren reinen Dialogpassagen abwechseln, bringen rasantes Tempo in das Buch, auch in den eher „ruhigen“ Szenen.  Es findet sich kaum ein Wort zu viel in dem Buch und trotzdem sind die Beschreibungen präzise und die Atmosphäre ist dicht. Auch der geschickte Umgang mit den Zeitformen hat eine große Wirkung. Die vergangenen Geschehnisse werden in der Gegenwartsform beschrieben und die gegenwärtigen in der Vergangenheitsform, bis sich am Ende, wenn der Zusammenhang beider Erzählstränge deutlich wird, eine Erzählzeit durchsetzt. Das ist formal ganz große Klasse.

Auch inhaltlich überzeugt der Roman. Würde es nur die 1987 spielende Mördersuche geben, wäre das Buch ein weiteres von vielen Polizist-sucht-Serienmörder-Büchern. Kein schlechtes, aber auch kein Highlight. Aber durch die andere Komponente des trauernden Witwer und vor allem die teilweise doch sehr schaurig-unheimlichen Momenten, hebt sich der Roman von ähnlichen Werken ab.  Hier kommt wahrhaft „zur Spannung noch die Gänsehaut dazu“, um den alten Gespenster-Krimi-Slogan zu benutzen. Und dadurch, dass der Roman mehr oder weniger in meiner Heimat spielt, gibt es von natürlich auch noch den Kohlenpott-Bonus. Da ist im Blitz Verlag ein Thriller-Kleinod erschienen, das sich hinter der internationalen Konkurrenz nicht zu verstecken braucht und noch mit Melneczuks Rechercheergebnissen zu dem Mörder Jürgen Bartsch als Anhang abgerundet wird.

Stefan Melneczuk: Wallenstein
Redaktion: Jörg Kaegelmann
Umschlaggestaltung & Satz: Mark Freier
Blitz Verlag, Mai 2014
320 Seiten
12,95 € (Taschenbuch)
ISBN: 9783898404099

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