Stefan Melneczuks Thriller Wallenstein ist, wie er selbst im
Nachwort schreibt, der letzte Roman einer Reihe von drei Romanen, die mit Marterpfahl begann und mit Rabenstadt fortgesetzt wurde. Und Melneczuk
nennt in seinem Nachwort auch gleich das gemeinsame Thema der Romane: Verlust. Marterpfahl handelt vom „Verlust von
Unschuld und Freundschaft“, Rabenstadt
vom „Verlust von Freiheit und Moral“ und Wallenstein
vom „Verlust von Liebe“.
Und zwar ist es hier der
Ex-Polizist Richard Wagner, der seine Frau und große Liebe durch einen Unfall
verloren hat. In den Gegenwart übertitelten Kapiteln erleben wir Wagner kurz
nach dem Tod seiner Frau. Wir lernen einen Mann kennen, der trauert, und noch
nicht weiß, ob und wie er den Weg zurück ins Leben findet. Die gegenwärtige
Handlung wechselt sich ab, mit Geschehnissen aus dem Jahr 1987: Richard Wagner
ermittelt als junger Polizist an dem Fall eines Mörders, der im Volksmund das „Nachtgespenst“
heißt, weil er ein Bettlaken über den Kopf gezogen hat, wenn er sich seinen
Opfern nähert. Nun changiert die
Handlung zwischen den beiden Zeitebenen. Auf der einen Seite, die
Verbrecherjagd, auch mit Szenen aus der Sicht des fiktiven Mörders, der übrigens den realen "Kirmesmörder" Jügen Bartsch als Vorbild hat (interessanterweise hauptsächlich im Präsens geschrieben); auf der anderen
Seite der trauernde Mann, der nicht loslassen kann, und das Gefühl hat, seine
Frau sei immer noch „irgendwie“ bei ihm. So kommen auch gewisse übersinnliche Elemente ins
Spiel, die aus diesem Thriller einen Mystery-Thriller machen.
Wallenstein hat mich überrascht. Ich bin an das Buch herangegangen,
mit zwei möglichen Erwartungen: Entweder versucht mal wieder ein deutscher
Autor einen amerikanischen Thriller zu kopieren oder ich bekomme einen
Regionalkrimi serviert, weil ja auch schon die beiden Vorgängerromane in der
gleichen Gegend - rund um Hattingen (also Ruhrgebiet und Bergisches Land) -
spielen. Aber obwohl durchaus Anleihen aus amerikanischen Serienmörderthrillern
zu erkennen sind und auch ganz deutlich Lokalkolorit aus den Seiten
herausstrahlt, habe ich doch etwas anderes gefunden: Einen deutschen
Thrillerautor mit einer eigenen Stimme. Besonders bei spannungsgeladenen Szenen
werden kurze und knappe, auf das Notwendige reduzierte Sätze benutzt, die sich aber
dann mit längeren reinen Dialogpassagen abwechseln, bringen rasantes Tempo in
das Buch, auch in den eher „ruhigen“ Szenen. Es findet sich kaum ein Wort zu viel in dem
Buch und trotzdem sind die Beschreibungen präzise und die Atmosphäre ist dicht.
Auch der geschickte Umgang mit den Zeitformen hat eine große Wirkung. Die
vergangenen Geschehnisse werden in der Gegenwartsform beschrieben und die
gegenwärtigen in der Vergangenheitsform, bis sich am Ende, wenn der
Zusammenhang beider Erzählstränge deutlich wird, eine Erzählzeit durchsetzt.
Das ist formal ganz große Klasse.
Stefan Melneczuk: Wallenstein
Redaktion: Jörg Kaegelmann
Umschlaggestaltung & Satz: Mark Freier
Blitz Verlag, Mai 2014
320 Seiten
12,95 € (Taschenbuch)
ISBN: 9783898404099
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