Montag, 4. August 2014

Tony O'Neill: Black Neon


BLACK NEON ist der Titel des Films, den der Regisseur Jacques Seltzer zwar lange angekündigt, aber nie realisiert hat. Mit seinem Debütfilms „Dead Flowers“  hat er sich einen gewissen Kultstatus erarbeitet, liefert  aber außer ein paar Bildbänden mit Fotografien abgewrackter Leute auf künstlerischem Gebiet nichts mehr nach. Irgendwann gibt er dem Drängen seines Agenten Gibby nach: Er stimmt zu, für die Gesellschaft des Hollywood-Moguls Kenny Azura doch noch BLACK NEON zu drehen. Aber er will das dreckige Hollywood filmen und darum sucht er zu Recherchezwecken nach jemandem, der ihm das Leben jenseits des schönen Scheins zeigt, die Junkies, die Huren und die anderen kaputten Gestalten, die es dort gibt. Und da kommt Randal Earnest ins Spiel, einer der Protagonisten aus O’Neills Vorgängerwerk SICK CITY. Er versucht zwar gerade clean zu werden, kennt sich aber in der Drogenszene L.A.s noch bestens aus und ist durch familiäre Banden mit dem Filmbusiness verwoben. Er soll sich um Seltzer kümmern.

Parallel dazu wird die Geschichte von Lupita und Genesis erzählt. Sie lernen sich kennen, als Lupita einen Dealer von Genesis erschießt. Bei den darauffolgenden Road-Movie-artigen Episoden ihrer Fahrt von Reno nach L.A werden die beiden ein Liebespaar, rauben Apothekenaus, hinterlassen noch mehr Leichen und vollführen obskure Santéria-Rituale.  Gegen Ende des Romans laufen die  beiden Erzählstränge natürlich ineinander. Dazu kommen noch die Erlebnisse des anderen Protagonisten aus Sick City, Jeffrey, dessen Wege sich auch mit denen Seltzers kreuzen.
BLACK NEON ist ein dreckiger, drogengeschwängerter und tief unmoralischer Roman.  Was die Figuren hier an Crystal Meth, Crack, Heroin, Kokain und Alkohol weghauen  hat mit Sicherheit einen in die Millionen gehenden Schwarzmarktwert. Es gibt auch ein paar heftige Sexszenen. Da liegt natürlich der Vergleich mit Bukowski und Palahniuk, der auf dem Cover prangt, nahe. Dieser ist vielleicht ein bisschen zu hoch gegriffen, aber trotzdem funktioniert dieser Roman.  O’Neill weiß anscheinend wovon er schreibt. Er, der in den 90ern als Musiker leidlich erfolgreich war, bis sein Drogenkonsum ihm die Karriere kaputt machte, beschreibt die Drogenszenerie L.A.s, soweit ich es beurteilen kann, einigermaßen realistisch. Das ist ein großes Plus des Romans.

Aber die Story des Regisseurs, der vom Beobachter der Szene zum Akteur wird, ist etwas zu weit hergeholt. Seltzer wird zu sehr als arroganter, europäischer Künstler-Arsch, der sich einen Dreck um andere kümmert, diese viel mehr ins Verderben stürzt, dargestellt. Das macht die Glaubwürdigkeit der anderen Figuren kaputt. Genauso habe ich mich beim Lesen oft gefragt, was die Parallelhandlung des lesbischen Banditenduos, genau zum Fortgang der Handlung beizutragen hat. Es wirkt vielmehr wie Füllstoff, um die Erzählung auf Romanlänge zu bringen. Der Kniff mit dem alles am Ende zusammengeführt wird, ist auch nicht besonders originell. Das ist schade, denn für sich genommen, hat die Geschichte von Lupita und Genesis nämlich durchaus ihren Reiz. Hier ist ein eigenständiger Roman verschenkt worden.


Trotz der eben geschilderten negativen Eindrücke, bleibt BLACK NEON immer noch ein guter Roman. Das liegt daran, dass Tony O’Neill es schafft, allen seinen Charakteren – bis auf Seltzer – eine gewisse Glaubwürdigkeit zu verleihen. Da nimmt man dann schon mal in Kauf, dass die Handlungen nicht so gut konstruiert sind.  Erwähnenswert ist auch die Art und Weise, wie er die Figuren durch ihren Musikgeschmack charakterisiert. Da kommt natürlich der alte Musiker durch. Der oberflächliche und überhebliche Hollywoodmogul hält Sting für den größten Musiker aller Zeiten und da seine Aufnahme mit dem Deutschen Sinfonieorchester. Erinnerungen an AMERICAN PSYCHO sind bei solchen Sequenzen bei mir wach geworden. Genauso wie ich bei der zweigeteilten Handlung – eine am, die andere der Weg zum Ort des Geschehens – irgendwie an Laymon erinnert wurde, der seine Geschichten oft so erzählt hat.  Aber auch diese Vergleiche sind wohl zu hoch gegriffen, obwohl – und da wiederhole ich mich – BLACK NEON gewiss kein schlechtes Buch ist. Nur: Es hätte nur ein noch viel besseres sein können.

Tony O'Neill: Black Neon
Roman
Übersetzung: Stephan Pörtner
Illustrationen: Michel Casarramona
Heyne, Juli 2014
352 Seiten
9,99 € (Taschenbuch)
ISBN: 978-3453676633
auch als E-Book (8,99 €) ) und als Hardcover (Walde & Graf, 2012) erhältlich

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen