BLACK NEON ist der Titel des Films, den der Regisseur
Jacques Seltzer zwar lange angekündigt, aber nie realisiert hat. Mit seinem
Debütfilms „Dead Flowers“ hat er sich
einen gewissen Kultstatus erarbeitet, liefert
aber außer ein paar Bildbänden mit Fotografien abgewrackter Leute auf
künstlerischem Gebiet nichts mehr nach. Irgendwann gibt er dem Drängen seines Agenten Gibby nach: Er stimmt zu, für die Gesellschaft des Hollywood-Moguls Kenny
Azura doch noch BLACK NEON zu drehen. Aber er will das dreckige Hollywood filmen und
darum sucht er zu Recherchezwecken nach jemandem, der ihm das Leben jenseits
des schönen Scheins zeigt, die Junkies, die Huren und die anderen kaputten
Gestalten, die es dort gibt. Und da kommt Randal Earnest ins Spiel, einer der
Protagonisten aus O’Neills Vorgängerwerk SICK CITY. Er versucht zwar gerade
clean zu werden, kennt sich aber in der Drogenszene L.A.s noch bestens aus und
ist durch familiäre Banden mit dem Filmbusiness verwoben. Er soll sich um
Seltzer kümmern.
Parallel dazu wird die Geschichte von Lupita und Genesis
erzählt. Sie lernen sich kennen, als Lupita einen Dealer von Genesis erschießt.
Bei den darauffolgenden Road-Movie-artigen Episoden ihrer Fahrt von Reno nach
L.A werden die beiden ein Liebespaar, rauben Apothekenaus, hinterlassen noch mehr
Leichen und vollführen obskure Santéria-Rituale. Gegen Ende des Romans laufen die beiden Erzählstränge natürlich ineinander. Dazu kommen noch die Erlebnisse
des anderen Protagonisten aus Sick City, Jeffrey, dessen Wege sich auch mit denen Seltzers kreuzen.
BLACK NEON ist ein dreckiger, drogengeschwängerter und tief
unmoralischer Roman. Was die Figuren hier
an Crystal Meth, Crack, Heroin, Kokain und Alkohol weghauen hat mit Sicherheit einen in die Millionen
gehenden Schwarzmarktwert. Es gibt auch ein paar heftige Sexszenen. Da liegt
natürlich der Vergleich mit Bukowski und Palahniuk, der auf dem Cover prangt,
nahe. Dieser ist vielleicht ein bisschen zu hoch gegriffen, aber trotzdem
funktioniert dieser Roman. O’Neill weiß
anscheinend wovon er schreibt. Er, der in den 90ern als Musiker leidlich
erfolgreich war, bis sein Drogenkonsum ihm die Karriere kaputt machte,
beschreibt die Drogenszenerie L.A.s, soweit ich es beurteilen kann,
einigermaßen realistisch. Das ist ein großes Plus des Romans.
Aber die Story des Regisseurs, der vom Beobachter der Szene
zum Akteur wird, ist etwas zu weit hergeholt. Seltzer wird zu sehr als
arroganter, europäischer Künstler-Arsch, der sich einen Dreck um andere
kümmert, diese viel mehr ins Verderben stürzt, dargestellt. Das macht die
Glaubwürdigkeit der anderen Figuren kaputt. Genauso habe ich mich beim Lesen
oft gefragt, was die Parallelhandlung des lesbischen Banditenduos, genau zum
Fortgang der Handlung beizutragen hat. Es wirkt vielmehr wie Füllstoff, um die
Erzählung auf Romanlänge zu bringen. Der Kniff mit dem alles am Ende
zusammengeführt wird, ist auch nicht besonders originell. Das ist schade, denn
für sich genommen, hat die Geschichte von Lupita und Genesis nämlich durchaus
ihren Reiz. Hier ist ein eigenständiger Roman verschenkt worden.
Trotz der eben geschilderten negativen Eindrücke, bleibt
BLACK NEON immer noch ein guter Roman. Das liegt daran, dass Tony O’Neill es
schafft, allen seinen Charakteren – bis auf Seltzer – eine gewisse Glaubwürdigkeit
zu verleihen. Da nimmt man dann schon mal in Kauf, dass die Handlungen nicht so
gut konstruiert sind. Erwähnenswert ist
auch die Art und Weise, wie er die Figuren durch ihren Musikgeschmack
charakterisiert. Da kommt natürlich der alte Musiker durch. Der oberflächliche
und überhebliche Hollywoodmogul hält Sting für den größten Musiker aller Zeiten
und da seine Aufnahme mit dem Deutschen Sinfonieorchester. Erinnerungen an
AMERICAN PSYCHO sind bei solchen Sequenzen bei mir wach geworden. Genauso wie
ich bei der zweigeteilten Handlung – eine am, die andere der Weg zum Ort des
Geschehens – irgendwie an Laymon erinnert wurde, der seine Geschichten oft so
erzählt hat. Aber auch diese Vergleiche
sind wohl zu hoch gegriffen, obwohl – und da wiederhole ich mich – BLACK NEON
gewiss kein schlechtes Buch ist. Nur: Es hätte nur ein noch viel besseres sein
können.
Roman
Übersetzung: Stephan Pörtner
Illustrationen: Michel Casarramona
Heyne, Juli 2014
352 Seiten
9,99 € (Taschenbuch)
ISBN: 978-3453676633auch als E-Book (8,99 €) ) und als Hardcover (Walde & Graf, 2012) erhältlich
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