Ein spanischer Zombieroman bei einem großen deutschen Verlag
hat mich schon überrascht, aber damit, dass im gleichen Zeitraum auch ein
deutscher Zombieroman bei Heyne erschienen ist, hätte ich im Leben nicht
gerechnet. Es gibt zwar mittlerweile
einige Kleinverlage, die sich auch an deutschsprachige Genreliteratur wagen,
hier möchte ich vor allem den Luzifer Verlag erwähnen, aber bei den
Publikumsverlagen war das Programm in
den letzten Jahren, was das angeht, überschaubar.
Autor Peter Huth ist ein renommierter Journalist - er ist Chefredakteur
der B.Z. - und das merkt man dem Roman an. Auch der Protagonist,
Robert Truhs, ist Journalist und er bekommt brisante Informationen zugespielt,
die die aktuelle Lage der der deutschen Hauptstadt betreffen. Dort ist nämlich
ein mysteriöser Virus aufgetreten, der die Infizierten zu, ja man kann es so
deutlich sagen, Zombies mutieren lässt. Um den Rest der Stadt zu schützen wird um die
zunächst betroffenen Stadtteile Neukölln und Kreuzberg eine streng bewachte
Mauer gebaut. (Eine Mauer mitten in Berlin? Wer denkt sich so einen Quatsch aus?) Die offiziellen Stellen lassen verlauten, dass nur Menschen mit
Migrationshintergrund von dem Virus befallen werden. Diese Informationen und
die allgemeine Angst vor dem Virus lassen in der Bevölkerung den Ruf nach einem
starken Mann im Berliner Senat laut werden. Und der ist mit Olaf Sentheim
schnell gefunden. Der geschasste Ex-Senator, der nach einem
demagogisch-populistischen Bucherfolg, in dem er gegen Migranten polemisierte,
seinen Hut nehmen musste, wird als Innensenator zurückgerufen, um der Seuche Herr zu werden. Nun bekommt
Truhs ein Video zugespielt, wo zu sehen ist, dass die Lage anders ist, als es
der Öffentlichkeit weisgemacht wird.
Wie sich aus der kurzen Zusammenfassung vielleicht erahnen
lässt, hat dieser Olaf Sentheim offensichtlich ein reales Vorbild: Thilo
Sarrazin. Und so ist es bei den meisten der politischen Akteure dieses Romans.
Wenn vom Bürgermeister die Rede ist, hat man klar den amtierenden
Regierenden Bürgermeister Berlins vor Augen und auch die Kanzlerin und ein Herr
zu Guttenberg sind klar erkennbar. Und daraus ergibt sich eine Stärke des
Buchs: Peter Huth weiß offenbar einiges über die politischen Abläufe in Berlin
und daher wirkt sein unrealistisches Szenario in erschreckendem Maße
realistisch. Die Hilflosigkeit der Regierenden in Zeiten einer großen
Katastrophe schildert er minutiös. Die Abwehrreaktionen scheinen so, wie sie
wirklich sein könnten. Und auch die Bevölkerung verhält sich so, wie man sich
vorstellen kann, dass sie sich im Angesicht des drohenden Untergangs verhält. Es
glaubt einem Demagogen, der wunderbare Sündenböcke aus dem Hut zaubert. Und
wenn der Mob erst einmal tobt, ist er nicht mehr aufzuhalten. Die gerufenen
Geister sind nicht mehr zu bändigen, auch wenn es hinterher von allen Seiten
heißt: „So war das jetzt aber eigentlich gar nicht gemeint.“
Es war nicht zwingend notwendig, dass Huth hier Zombies als
Aufhänger für die große Krise benutzt. Er hätte auch andere (realistischere?)
Wege gehen können. Er benutzt Zombies –
und das ist mutig. Zwar sagt Kai Meyer in seinem Nachwort ganz richtig, dass „Zombiegeschichten
schon früh das politische Geschehen gespiegelt haben“, aber trotzdem haftet
diesen in den Augen der Feuilletonisten
immer der Geruch des Trivialen an. Wenn es eine plötzliche Ebola-Epidemie
in Berlin gegeben hätte, wäre wohl die eine oder andere Besprechung in einer
überregionalen Tageszeitung mehr drin gewesen, gerade weil der Roman von einem
Kollegen stammt. Aber Huth spielt in seinem Roman mit Zombies und Politik. Und
wenn er sich darauf konzentriert hätte, hätte er einen richtig guten
satirischen Zombieroman vorlegen können.
Doch leider hat der Roman in meinen Augen eine große
Schwäche. Und das sind die Gegenspieler der Politiker: die Journalisten. Sie
werden hier zwar nicht als Helden dargestellt, aber trotzdem wirkt selbst der Unmoralischste unter ihnen immer noch moralisch integrer als sämtliche
handelnden Politiker. Und auch die privaten Beziehungen der Journalisten untereinander
stören den eigentlichen Handlungsverlauf eher, als dass sie ihm nutzen. Hätte
Robert Truhs einfach nur recherchiert und nicht noch nebenbei versucht sein
verkorkstes Privatleben wieder auf die Reihe zu kriegen, wäre der Roman in
meinen Augen noch um einiges besser gewesen.
Peter Huth: Berlin Requiem
Originalausgabe
Heyne, April 2014
336 Seiten
12,99 € (Klappbroschur)
ISBN: 978-3453676664auch als E-Book (9,99 €) erhältlich
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen