Mittwoch, 30. Juli 2014

Peter Huth: Berlin Reqiem


Ein spanischer Zombieroman bei einem großen deutschen Verlag hat mich schon überrascht, aber damit, dass im gleichen Zeitraum auch ein deutscher Zombieroman bei Heyne erschienen ist, hätte ich im Leben nicht gerechnet. Es gibt  zwar mittlerweile einige Kleinverlage, die sich auch an deutschsprachige Genreliteratur wagen, hier möchte ich vor allem den Luzifer Verlag erwähnen, aber bei den Publikumsverlagen war  das Programm in den letzten Jahren, was das angeht, überschaubar.

Autor Peter Huth ist ein renommierter Journalist - er ist Chefredakteur der B.Z. - und das merkt man dem Roman an. Auch der Protagonist, Robert Truhs, ist Journalist und er bekommt brisante Informationen zugespielt, die die aktuelle Lage der der deutschen Hauptstadt betreffen. Dort ist nämlich ein mysteriöser Virus aufgetreten, der die Infizierten zu, ja man kann es so deutlich sagen, Zombies mutieren lässt. Um den Rest der Stadt zu schützen wird um die zunächst betroffenen Stadtteile Neukölln und Kreuzberg eine streng bewachte Mauer gebaut. (Eine Mauer mitten in Berlin? Wer denkt sich so einen Quatsch aus?) Die offiziellen Stellen lassen verlauten, dass nur Menschen mit Migrationshintergrund von dem Virus befallen werden. Diese Informationen und die allgemeine Angst vor dem Virus lassen in der Bevölkerung den Ruf nach einem starken Mann im Berliner Senat laut werden. Und der ist mit Olaf Sentheim schnell gefunden. Der geschasste Ex-Senator, der nach einem demagogisch-populistischen Bucherfolg, in dem er gegen Migranten polemisierte, seinen Hut nehmen musste, wird als Innensenator zurückgerufen, um der Seuche Herr zu werden. Nun bekommt Truhs ein Video zugespielt, wo zu sehen ist, dass die Lage anders ist, als es der Öffentlichkeit weisgemacht wird.
Wie sich aus der kurzen Zusammenfassung vielleicht erahnen lässt, hat dieser Olaf Sentheim offensichtlich ein reales Vorbild: Thilo Sarrazin. Und so ist es bei den meisten der politischen Akteure dieses Romans. Wenn vom Bürgermeister die Rede ist, hat man klar den amtierenden Regierenden Bürgermeister Berlins vor Augen und auch die Kanzlerin und ein Herr zu Guttenberg sind klar erkennbar. Und daraus ergibt sich eine Stärke des Buchs: Peter Huth weiß offenbar einiges über die politischen Abläufe in Berlin und daher wirkt sein unrealistisches Szenario in erschreckendem Maße realistisch. Die Hilflosigkeit der Regierenden in Zeiten einer großen Katastrophe schildert er minutiös. Die Abwehrreaktionen scheinen so, wie sie wirklich sein könnten. Und auch die Bevölkerung verhält sich so, wie man sich vorstellen kann, dass sie sich im Angesicht des drohenden Untergangs verhält. Es glaubt einem Demagogen, der wunderbare Sündenböcke aus dem Hut zaubert. Und wenn der Mob erst einmal tobt, ist er nicht mehr aufzuhalten. Die gerufenen Geister sind nicht mehr zu bändigen, auch wenn es hinterher von allen Seiten heißt: „So war das jetzt aber eigentlich gar nicht gemeint.“

Es war nicht zwingend notwendig, dass Huth hier Zombies als Aufhänger für die große Krise benutzt. Er hätte auch andere (realistischere?) Wege gehen können.  Er benutzt Zombies – und das ist mutig. Zwar sagt Kai Meyer in seinem Nachwort ganz richtig, dass „Zombiegeschichten schon früh das politische Geschehen gespiegelt haben“, aber trotzdem haftet diesen in den Augen der Feuilletonisten  immer der Geruch des Trivialen an. Wenn es eine plötzliche Ebola-Epidemie in Berlin gegeben hätte, wäre wohl die eine oder andere Besprechung in einer überregionalen Tageszeitung mehr drin gewesen, gerade weil der Roman von einem Kollegen stammt. Aber Huth spielt in seinem Roman mit Zombies und Politik. Und wenn er sich darauf konzentriert hätte, hätte er einen richtig guten satirischen Zombieroman vorlegen können.

Doch leider hat der Roman in meinen Augen eine große Schwäche. Und das sind die Gegenspieler der Politiker: die Journalisten. Sie werden hier zwar nicht als Helden dargestellt, aber trotzdem wirkt selbst der Unmoralischste unter ihnen immer noch moralisch integrer als sämtliche handelnden Politiker. Und auch die privaten Beziehungen der Journalisten untereinander stören den eigentlichen Handlungsverlauf eher, als dass sie ihm nutzen. Hätte Robert Truhs einfach nur recherchiert und nicht noch nebenbei versucht sein verkorkstes Privatleben wieder auf die Reihe zu kriegen, wäre der Roman in meinen Augen noch um einiges besser gewesen.

Nicht, dass man mich jetzt falsch versteht. BERLIN REQUIEM ist immer noch ein gutes Buch und ich wünsche, dass es ganz viele Leser findet. (Schon alleine deswegen, weil man in den Verlagsstuben, vielleicht dadurch auch deutschen Horrorautoren mit einem anderen Background   vermehrt eine Chance geben könnte) Ich hatte beim Lesen einige Aha-Effekte und musste auch das eine oder andere Schmunzeln, ob der teilweise überspitzten Darstellung der politischen Akteure. Huth kennt auch die Spielregeln von Zombieromanen, bricht diesen Regeln vielleicht ein bisschen zu wenig - doch das ist eher nebensächlich. Denn am meisten verliert BERLIN REQUIEM aufgrund des privaten Schnickschnacks der journalistischen Akteure.  Durch eine Konzentration auf das Wesentliche hätte aus diesem guten Roman ein hervorragender satirischer Politthriller mit Zombies werden können. 

Peter Huth: Berlin Requiem
Roman
Originalausgabe
Heyne, April 2014
336 Seiten
12,99 € (Klappbroschur)
ISBN: 978-3453676664
auch als E-Book (9,99 €) erhältlich

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen