Donnerstag, 7. August 2014

Edward Lee & John Pelan: Muschelknacker


Ich habe hier schon zwei Titel von Edward Lee besprochen. Aber das waren, wenn man den allgemeinen Behauptungen zdazu Glauben schenkt, zwei der eher „harmloseren“ Romane des Autors, der besonders für seine härtere Gangart berühmt - oder sollte ich lieber berüchtigt sagen – ist. Und da mir beide Romane, INNSWICH HORROR und HAUS DER BÖSEN LUST, sehr gut gefallen haben, war es also endlich mal an der Zeit eines der heftigeren Werke Lees zur Brust zu nehmen. MUSCHELKNACKER ist sogar eine doppelte Premiere für mich. Es ist auch der erste Band der Reihe Festa Extrem, den ich gelesen habe. Jene Reihe von angeblich extremen Romanen, die für den Buchhandel zu hart sind und nur über den Verlag erhältlich sind. Jedenfalls in gedruckter Fassung, die E-Books kriegt man auch über die gängigen Verkaufskanäle.

Der Roman MUSCHELKNACKER erschien 2002 unter dem Titel FAMILY TRADITION in den USA (der Originaltitel passt eigentlich besser zum Buch, aber ich finde MUSCHELKNACKER ist durch seine Mehrdeutigkeit ein geschickt gewählter deutscher Titel) und ist eine Gemeinschaftsarbeit Lees mit John Pelan, der eher als Verleger, denn als Autor von sich Reden gemacht hat. Wie groß Pelans Einfluss auf das Buch war, kann man natürlich nicht genau sagen. Aber ich gehe davon aus, dass der Hauptteil des Romans auf Lees Mist gewachsen ist. Aber genug der langen Vorrede: Worum geht es in dem Roman?

Gleich der ersten Satz gibt die Richtung vor: „ „Junge, wichst du schon wieder mit den Würmern?““ Hier wird nicht lange gefackelt: es wird eklig und es geht um Sex - wenn man das denn so nennen möchte, was da so alles praktiziert wird.. Die beiden Brüder Esau und Enoch leben zusammen auf einer kleinen Insel im Sutherland Lake und betreiben dort einen Angelbedarf-Shop. Vordergründig jedenfalls. Eigentlich sind sie perverse Hinterwäldler, die sich an gestrandeten Touristen vergehen und mit ihnen allerhand unappetitliche Sachen veranstalten, die auch sehr detailreich beschrieben werden. Dann ist da noch Ashton Morrone, ein berühmter Sterne-Koch, an dessen Thron gerade ein anderer Koch sägt. Um seinen Widersacher in die Schranken zu weisen, sucht er nach einer besonderen Delikatesse, die er seiner Kundschaft kredenzen kann. Und er findet  diese in einem Bericht über den Sutherland Lake, wo es eine seltene Speisefischart geben soll. Er macht sich mit seinem  Bruder, beide entsprechen dem Klischee reicher älterer Ekelpakete, auf den Weg zu dem See. Sie haben natürlich ihre beiden jungen, äußerst attraktiven Partnerinnen (u.a ein Ex-Pornostar, ist klar)dabei. Am See angekommen machen sie bald Bekanntschaft mit den beiden Brüdern, von denen einer zufäliigerweise ein Fan des Starkochs ist. Und von da an geht alles den Gang, den man aus vielen Backwood-Slasher-Filmen kennt.

Nun liest sich die kurze Inhaltsangabe zugegebenermaßen nicht sonderlich originell. Aber das täuscht. Das Autoren-Duo baut  nicht nur einige extrem eklige und  alle gängigen Geschmacksgrenzen sprengende Details  in die Handlung ein, die an Perfidität kaum zu überbieten sind. Nein, sie schaffen es auch mit anderen Details zu überraschen. Ich kann jetzt leider nicht näher darauf eingehen, denn ich will zukünftigen Lesern den Spaß nicht verderben. Denn das ist diese Geschichte letztendlich – ein großer Spaß. Man merkt, dass Lee und Pelan mit großem Enthusiasmus versucht haben, den vorangegangenen Widerlichkeiten immer noch eines draufzusetzen. Und das gelingt ihnen. Man braucht entweder einen guten Magen oder eine nicht besonders ausgeprägte Vorstellungskraft, um das Buch einigermaßen schadfrei zu überstehen. Aber der recht kurze Roman ist bei weitem keine Verherrlichung von irgendwelchen Perversitäten. Das Ganze ist so unglaubwürdig und ironisch übertrieben, dass man die Geschichte überhaupt nicht ernst nehmen kann. Es ist in dem besten Sinne gute Unterhaltung, wie es auch ähnlich geartete Splatterfilme sind.

Ich kann MUSCHELKNACKER beileibe nicht jedem ans Herz legen. Es wird genug Leute geben, die wegen solcher Bücher den Untergang des Abendlands am Horizont heraufziehen sehen. Aber wem das egal ist, der bekommt nicht nur eine Aneinanderreihung von Gewalt und Perversionen geboten. Lee versteht es jenseits davon, auch eine gute Geschichte zu erzählen und entlockt einem eigentlich ausgelutschten Genre wie dem Backwood-Slasher durch seine Einfälle noch so etwas wie Originalität. Mir hat der Roman Spaß gemacht, man darf das alles bloß nicht ernst nehmen. 

Mein dritter Roman von Edward Lee war also komplett anders als die anderen beiden. Aber er war auch gut. Also muss es am Autor liegen, der mich auf verschiedenen Spielwiesen des Horrors, bisher jedenfalls, imer wieder überzeugt hat. Mal sehen, wann der nächste Lee an die Reihe kommt. Lange wird es bestimmt nicht dauern.

Edward Lee & John Pelan: Muschelknacker
Titel der amerikanischen Originalausgabe: FAMILY TRADITION (2002)
Aus dem Amerikanischen von Christian Jentzsch
Festa, April 2014
189 Seiten
12,80 € (Taschenbuch)
ISBN: Privatdruck
auch als E-Book (4,99 €) ) erhältlich

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