Dass der Roman FUTU.RE eine komplexe Geschichte erzählt,
kann man sich schon denken, wenn man ihn nur von außen betrachtet. Und in
diesem Wälzer von über 900 Seiten wird dann auch eine globale Zukunftsvision
dargelegt. Die Welt hat sich verändert. Es ist den Menschen gelungen den
Alterungsprozess und den Tod zu stoppen. Das kleinstaatliche Europa gibt es
nicht mehr. Europa ist nunmehr eine einzige Metropole.
Wenn Menschen nicht mehr sterben, gibt es irgendwann zu
viele. Es ist nunmal kein unendliches Wachstum auf einem endlichen Planeten
möglich. Um dem entgegen zu wirken, wurde von Regierungsseite aus, die
Fortpflanzung reglementiert. Wenn man sich entschließt, Kinder in die Welt zu
setzen, entschließt man sich gleichzeitig nach einer gewissen Zeit zu sterben.
Natürlich gibt es auch Leute, die sich diesen Gesetzen widersetzen wollen. Aber
dafür gibt es einen funktionierenden Polizeiapparat mit diversen
Einsatzkräften. Jan Nachtigall, der Protagonist des Romans ist Mitglied einer
solchen Einsatztruppe, die Jagd auf illegale Eltern macht.
Er bekommt von einem ranghohen Politiker persönlich den
Auftrag einen Terroristen und dessen schwangere Freundin zu eliminieren. Doch
bei diesem Auftrag läuft etwas schief – der Terrorist kann entkommen und die
Frau zunächst auch. Doch Jan spürt sie wieder auf, bringt es aber nicht fertig
sie zu töten und ist nun seinerseits auf der Flucht. In Rückblenden wird Jan Nachtigalls Kindheit und Jugend
geschildert. Er ist selber ein illegales Kind und wächst in einem Heim auf, in
denen die elternlosen Kinder zu unsterblichen Spezialkräften ausgebildet
werden.
Das ist die eine Ebene des Romans. Die persönliche Geschichte
Jan Nachtigalls, der zunächst ein treuer Verfechter des Systems ist, dann aber
mehr und mehr Zweifel bekommt. Seine
Geschichte und seine privaten Konflikte sind aber exemplarisch für die
Geschichte und die großen gesellschaftlichen Konflikte in dieser zukünftigen Welt. Glukhovsky hat
auf diesen 900 Seiten eine Welt erschaffen, in die man gerne eintaucht. Aber
nicht weil sie so schön ist, sondern weil so so schrecklich ist. Und sie ist so
schrecklich, weil sie, obwohl natürlich
utopisch, realistisch sein könnte. Man erkennt die heutigen Machtspiele wieder.
Ich könnte jetzt noch die Vielschichtigkeit des Romans
loben, oder die wohldosierten Gewalteinschübe, die im Umfeld manch
philosophischer Betrachtungen erschreckender sind als in in reinen Action-Epen.
Ich könnte kritisieren, dass manche Figuren zu blass bleiben, dass man zu wenig
oder zu plötzlich etwas über sie erfährt. Aber ich will mich kurz fassen.
Dieser Roman ist ein Plädoyer für die Menschlichkeit. Und
das im wahrsten Sinne des Wortes. Er vermittelt die Botschaft, dass nicht alles
was von den Regierungen dieser Welt bestimmt wird, einfach so hingenommen
werden muss. Er ist ein Plädoyer für Selbstbestimmung und persönliche Freiheit.
Und dass so ein Roman von einem russischen Autor kommt, sagt einiges aus. Man
merkt wahrscheinlich erst richtig, wie wichtig diese Werte sind, wenn sie
fehlen.
Roman
Titel der russischen Originalausgabe: Будущее (2013)
Aus dem Russischen von David Drevs
Heyne, Mai 2014
928 Seiten
16,99 € (Klappenbroschur)
ISBN: 978-3453315549auch als E-Book (13,99 €) ) erhältlich
Klingt gut!
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