Donnerstag, 14. August 2014

Dmitry Glukhovsky: Futu.re


Dass der Roman FUTU.RE eine komplexe Geschichte erzählt, kann man sich schon denken, wenn man ihn nur von außen betrachtet. Und in diesem Wälzer von über 900 Seiten wird dann auch eine globale Zukunftsvision dargelegt. Die Welt hat sich verändert. Es ist den Menschen gelungen den Alterungsprozess und den Tod zu stoppen. Das kleinstaatliche Europa gibt es nicht mehr. Europa ist nunmehr eine einzige Metropole.

Wenn Menschen nicht mehr sterben, gibt es irgendwann zu viele. Es ist nunmal kein unendliches Wachstum auf einem endlichen Planeten möglich. Um dem entgegen zu wirken, wurde von Regierungsseite aus, die Fortpflanzung reglementiert. Wenn man sich entschließt, Kinder in die Welt zu setzen, entschließt man sich gleichzeitig nach einer gewissen Zeit zu sterben. Natürlich gibt es auch Leute, die sich diesen Gesetzen widersetzen wollen. Aber dafür gibt es einen funktionierenden Polizeiapparat mit diversen Einsatzkräften. Jan Nachtigall, der Protagonist des Romans ist Mitglied einer solchen Einsatztruppe, die Jagd auf illegale Eltern macht.

Er bekommt von einem ranghohen Politiker persönlich den Auftrag einen Terroristen und dessen schwangere Freundin zu eliminieren. Doch bei diesem Auftrag läuft etwas schief – der Terrorist kann entkommen und die Frau zunächst auch. Doch Jan spürt sie wieder auf, bringt es aber nicht fertig sie zu töten und ist nun seinerseits auf der Flucht. In Rückblenden wird  Jan Nachtigalls Kindheit und Jugend geschildert. Er ist selber ein illegales Kind und wächst in einem Heim auf, in denen die elternlosen Kinder zu unsterblichen Spezialkräften ausgebildet werden.
Das ist die eine Ebene des Romans. Die persönliche Geschichte Jan Nachtigalls, der zunächst ein treuer Verfechter des Systems ist, dann aber mehr und mehr Zweifel bekommt.  Seine Geschichte und seine privaten Konflikte sind aber exemplarisch für die Geschichte und die großen gesellschaftlichen Konflikte in dieser zukünftigen Welt. Glukhovsky hat auf diesen 900 Seiten eine Welt erschaffen, in die man gerne eintaucht. Aber nicht weil sie so schön ist, sondern weil so so schrecklich ist. Und sie ist so schrecklich, weil sie, obwohl natürlich utopisch, realistisch sein könnte. Man erkennt die heutigen Machtspiele wieder.

Ich könnte jetzt noch die Vielschichtigkeit des Romans loben, oder die wohldosierten Gewalteinschübe, die im Umfeld manch philosophischer Betrachtungen erschreckender sind als in in reinen Action-Epen. Ich könnte kritisieren, dass manche Figuren zu blass bleiben, dass man zu wenig oder zu plötzlich etwas über sie erfährt. Aber ich will mich kurz fassen.

Dieser Roman ist ein Plädoyer für die Menschlichkeit. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Er vermittelt die Botschaft, dass nicht alles was von den Regierungen dieser Welt bestimmt wird, einfach so hingenommen werden muss. Er ist ein Plädoyer für Selbstbestimmung und persönliche Freiheit. Und dass so ein Roman von einem russischen Autor kommt, sagt einiges aus. Man merkt wahrscheinlich erst richtig, wie wichtig diese Werte sind, wenn sie fehlen.

Dmitry Glukhovsky ist mit diesem Werk ein Science-Fiction-Roman gelungen, der sowohl als reine Unterhaltung funktioniert, aber auch lange nachhallt und interessante Denkansätze liefert.
  
Dmitry Glukhovsky: Futu.re
Roman
Titel der russischen Originalausgabe: Будущее (2013)
Aus dem Russischen von David Drevs
Heyne, Mai 2014
928 Seiten
16,99 € (Klappenbroschur)
ISBN: 978-3453315549
auch als E-Book (13,99 €) ) erhältlich

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