Samstag, 16. August 2014

Jack Ketchum: Lebendig



LEBENDIG ist das erste Buch, das ich von Jack Ketchum gelesen habe. Nun habe ich schon von einigen Leuten, deren Urteil ich traue, gehört, dass es wohl eines seiner schwächeren Werke ist und man nicht von diesem auf seine anderen schließen soll. Also tue ich das nicht und werde dem Autor irgendwann noch eine Chance geben. Denn eines stimmt: der Roman ist eher schwach. Also ist es ja gut möglich, dass die andere Einschätzung auch stimmt und andere Sachen von Ketchum um Längen besser sind.

LEBENDIG erzählt die Geschichte von Sara, die mit ihrem verheirateten Geliebten auf dem Weg zu einer Abtreibungsklinik entführt wird. Ihre Entführer, ein Pärchen, das offensichtlich zu einer Gruppe radikaler Abtreibungsgegner gehört, machen Sara weiß, dass eine mächtige Geheimorganisation hinter ihnen steht. Aber ob dem so ist, weiß die in ein Kellerverließ eingesperrte Frau nicht. Vielleicht ist sie auch nur die Gefangene eines Sadisten, der Spaß daran hat, sie zu foltern und seiner Freundin, die sich ein Baby wünscht.
Eine durchaus interessante Ausgangssituation hat dieser kurze Roman schon. Doch leider macht Ketchum daraus zu wenig. Er beschreibt mal hier und da ein paar Folterungen, er beschreibt, wie Sara versucht, sich mit ihren Peinigern zu arrangieren, er beschreibt ihre Fluchtgedanken. Aber er beschreibt nur. Und er beschreibt kühl und distanziert. Dadurch bleibt auch eine große Distanz zu den Figuren. Und durch diese Distanz kann man auch keine wirkliche Empathie für das Opfer aufbauen und das ist in Romanen dieser Art nunmal das A und O.

Das Entführerpärchen bleibt auch blass. Sie misshandeln ihr Opfer und es wird auch kurz versucht eine Erklärung für ihr Tun zu entwerfen, aber das ist mehr oder weniger eine 08/15-Erklärung. So wirkt dieser kurze Roman schlicht wie der Versuch auf möglichst wenigen Seiten möglichst viele Folterszenen unterzubringen. Das an sich wäre nicht verwerflich, aber dass diese Folterszenen nur um ihrer selbst willen beschrieben werden und die Handlung nicht voranbringen sowie durch die  Distanz zu den Figuren nicht „mitgelitten“ werden kann, macht die Geschichte schlicht und ergreifend zu einer reinen Folter-show für Voyeure, die Spaß an so etwas haben.  Der Roman hat keine Seele und ist kein bisschen spannend.

Und da er so kurz ist, hat der Verlag noch zwei Kurzgeschichten mit dazu gepackt. „Tapferes Mädchen“ (ein Mädchen wählt den Polizeinotruf und die Folgen davon)und „Rückkehr“  (ein Verstorbener kommt als Geist zurück) reißen es aber auch nicht mehr raus. Die Enttäuschung, die der Roman hervorruft, wird von diesen eher überraschungsarmen und durchschnittlichen Kurzgeschichten nicht gemindert. Bleibt zu hoffen, dass es wirklich eines der schwächeren Werke von Ketchum ist. 

Jack Ketchum: Lebendig
Roman
Titel der amerikanischen Originalausgabe: RIGHT TO LIFE (1998)
Aus dem Amerikanischen von Kristof Kurz
Heyne Hardcore, Mai 2014
224 Seiten
8,99 € (Taschenbuch)
ISBN: 978-3453678589
auch als E-Book (7,99 €) ) erhältlich

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