Sonntag, 27. Juli 2014

Ramez Naam: Nexus


Wer sich schon immer gefragt hat, was dabei herauskommt, wenn ein Softwareentwickler einen Science-Fiction-Roman schreibt, bekommt mit NEXUS eine Antwort. Ramez Naam hat bei Microsoft federführend an der Entwicklung von Outlook, dem Internet Explorer und der Suchmaschine Bing mitgearbeitet und hält 19 Patente aus dem Bereich der Informatik. Er ist fraglos ein anerkannter Wissenschaftler und Computerexperte. Nun kann es sehr leicht sein, dass, wenn jemand mit solchen Reputationen sich an ein fiktives  Werk heranwagt, er den Leser mit geballtem Wissen und Informationen erschlägt und der Unterhaltungswert auf der Strecke bleibt. NEXUS fällt nicht in diese Kategorie. Naam erzählt einen spannenden Thriller, der gleichzeitig einen nicht ganz so unwahrscheinlichen Blick in die Zukunft wirft, der zudem mit Fakten aus dem derzeitigen Stand der Wissenschaft untermauert wird und dann auch noch ethisch-moralische Fragen aufwirft.  Zu guter letzt bezieht der Autor auch noch recht eindeutig Stellung zu den aufgeworfenen philosophischen Fragen. Ramez Naam ist ein Schriftsteller mit einer bestimmten Haltung und diese wird in seinem Debütroman deutlich.

NEXUS ist eine Nano-Droge, vielmehr ein Neurocomputer, der direkt das Gehirn beeinflusst. Je nachdem mit was NEXUS programmiert wurde, kann dieses als Prozess im Gehirn ablaufen, beispielsweise kann man so ohne Übung ein veritabler Kampfsportler werden. Kaden Lane ist es mit einigen Freunden gelungen die flüchtige Droge NEXUS, so weiter zu entwickeln, dass sie permanent im Gehirn bleibt und der Mensch, der NEXUS 5 intus hat, so die Veränderungen, die das Programm bewirkt, auf Dauer in sich hat. Er ist also nicht mehr nur Mensch, sondern eine Art Mensch 2.0. Natürlich hat auch die amerikanische Regierung Interesse an NEXUS 5, oder vielmehr ein Interesse daran, dass NEXUS 5 nicht weiter verbreitet wird. Lane und seine Mitstreiter werden verhaftet, nachdem sich eine Agentin bei ihnen einschleust. Um seine Freunde zu schützen lässt sich Lane auf einen Deal ein: er versucht für den Geheimdienst Kontakt zu einer chinesischen Wissenschaftlerin herzustellen, die auf dem gleichen Gebiet forscht, wie er.
Von da an entwickelt sich ein recht actionreicher Geheimdienstthriller, der im Jahr 2040 spielt. Vor der exotischen Kulisse Thailands, wird Lane zum Spielball verschiedener Interessen und versucht dabei auch, sich über seine eigenen Vorstellungen klar zu werden. Eine Wirkung von NEXUS ist nämlich auch, dass sich die Gehirne, die auf NEXUS sind, miteinander vernetzen. So kann zum einen die Intelligenz erhöht werden – wenn mehrere Gehirne auf größere Ressourcen zurückgreifen können, wird auch die Leistung größer; zum anderen lassen sich andere Menschen durch NEXUS leicht manipulieren.  Wäre es nun Fluch oder Segen für die Menschheit, wenn sie sich auf diese Weise weiterentwickelt?

Wie ich oben schon erwähnt habe, bezieht Naam Stellung, zu dieser Frage. Seine Antwort ist eindeutig, seine Sympathien klar verteilt. Trotzdem lässt er auch die Gegenseite zu Wort kommen und auch deren Einstellungen werden plausibel erläutert. Er lässt keinen Zweifel daran, dass man auch zu anderen Lösungen kommen kann, wie der von seinem Protagonisten (und offensichtlich auch von ihm) präferierten. Und das hebt dieses Buch weit über den durchschnittlichen Zukunftsthriller hinaus. Es gibt nicht nur gut und nur böse. Die Taten aller handelnden Personen sind nachvollziehbar: man muss sie nicht verstehen, man muss sie nicht für richtig halten, man kann sie sogar verabscheuen - trotzdem bleiben sie nachvollziehbar.

Die Antwort auf die Frage, ob man der Menschheit einen Fortschritt vorenthalten sollte, obwohl man weiß, dass dieser Fortschritt auch von irgendwelchen Menschen (Mächten?) mißbraucht wird, beantwortet ein buddhistischer Mönch mit einem nachdenkenswerten Vergleich:  Würde man den Menschen die Möglichkeit zum leichteren Erlernen von Sprache und Schrift vorenthalten – gesetzt den Fall, dass das Erlernen sonst ein Leben lang dauern würde und extrem schwierig wäre, auch „wenn charismatische Faschisten, die Sprache dazu benutzen, die Menschen aufzuhetzen, sie zu Gewalt anzustacheln, ihren Hass zu schüren, Kriege anzuzetteln“?.  Kann man das auch auf den heutigen technologischen Fortschritt anwenden? Ganz ehrlich: ich weiß es nicht. Aber das sind Themen, die die man ruhig mal in den Fokus stellen sollte.


Das Buch stellt Fragen, über die es sich lohnt, nachzudenken. Und dabei ist es keine langweilige theoretische Abhandlung. Es ist und bleibt vor allem ein spannender Thriller. Aber ein Thriller, der jedenfalls bei mir, lange nachwirken wird. Spannung und Anspruch - für mich schon jetzt ein Highlight meiner diesjährigen Lektüre. 

Ramez Naam: Nexus
Roman
Titel der amerikanischen Originalausgabe: NEXUS (2013)
Aus dem Amerikanischen von Bernhard Kempen
Heyne, Juli 2014
622 Seiten
9,99 € (Taschenbuch)
ISBN: 978-3453315600
auch als E-Book (8,99 €) ) erhältlich

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