Freitag, 3. Januar 2014

Zoë Beck: Brixton Hill


Es gab Zeiten, da hat sich die deutsche Literatur mit aktuellen Themen beschäftigt, die auf eine gewisse Art und Weise gesellschaftlich relevant waren. Ich habe das Gefühl, dass die sogenannte deutsche Gegenwartsliteratur mittlerweile nicht mehr so sehr um solche Themen dreht, sondern eher um den Literaturbetrieb und seine Teilnehmer oder um mehr oder weniger erfolglose Literaten und ihren Versuch irgendwie über die Runden zu kommen. Zum Glück gibt es die von den Feuilletons leider immer noch belächelte Kriminalliteratur. Denn dort werden mittlerweile die Geschichten erzählt, die auch die Leser interessieren könnte, die sich nicht unbedingt nur für das intellektuelle Leben in Deutschland interessieren.

BRIXTON HILL von Zoë Beck ist so ein Roman. Im Untertitel wird er Thriller genannt. Das einzige, was man nun gegen meine vorherigen Ausführungen ins Felde führen könnte, wäre, dass BRIXTON HILL in London spielt und auf dem ersten Blick wahrscheinlich herzlich wenig mit dem heimischen Alltag zu tun hat. Das ist richtig, aber auch vollkommen egal. Denn die Themen die Zoë Beck hier aufgreift sind eigentlich universell. Und was bei einem Thriller nicht ganz unwichtig ist: auch die Spannung kommt nicht zu kurz.

Die Protagonistin des Romans ist Emma – Em - Vine. Als Spross einer englischen Bankiersfamilie versucht sie sich recht erfolgreich als Eventmanagerin. (Okay, das ist jetzt eigentlich wieder einer dieser typischen Großstadt-Bohème-Jobs, die gerne auch in den oben von mir angesprochenen Büchern benutzt wird). Nachdem ihre Freundin Kimmy Rasmussen, während eines offensichtlichen Anschlags mit Rauchpatronen, voller Panik aus dem 15. Stock eines Hochhauses springt, wird Em als Hauptverdächtige von der Polizei festgesetzt. Ihr Bruder, ein Anwalt, kann sie zwar schnell wieder rausboxen, aber auch Em ist der Meinung dass dieser Anschlag etwas mit ihr zu tun hat. Ihr Verdacht fällt schnell auf einen jungen Mann, mit dem sie beinahe eine Affäre gehabt hätte und der sie seitdem gestalkt hat. Sie weiß, dass er ein begnadeter Hacker ist, so wäre es für ihn auch kein Problem in das Sicherheitssystem des Hochhauses, in dem ihre Freundin verunglückt ist, einzudringen. Em sieht sich selbst in Gefahr und versucht auf eigene Faust der Angelegenheit auf den Grund zu gehen. In der Folge kommt es noch zu allerhand weiteren Verwicklungen und auch Todesfällen, die ich aber hier aussparen muss, weil ich sonst zu viel verrate.

Wahrscheinlich werden sich jetzt einige Leser dieser Rezension fragen, was der Rezensent denn mit seiner Einleitung zum Ausdruck bringen wollte. Der Plot hört sich zwar nach einem spannenden Thriller an. Aber von gesellschaftlich relevanten Themen hört man aus seiner kurzen Zusammenfassung nichts heraus. Das stimmt. Aber wie nebenbei arbeitet Frau Beck aktuelle Themen ab. Die Hacker, die sie auf ihren Recherchen trifft, sind in der Occupy-Bewegung involviert und haben auch mit den Anonymous-Aktivisten zu tun. Der titelgebende Londoner Stadtteil Brixton, in dem sich einige Teile des Buches abspielen, ist ein Musterbeispiel für Gentrifizierung. Jüngere deutsche Zeitgeschichte hat trotz des britischen Settings auch einen Platz in der Themenwelt des Romans. Und Bezüge zum Begräbnis von Margaret Thatcher zeigen wie aktuell dieser Thriller ist. All diese Themen werden scheinbar nur am Rande gestreift, aber trotzdem werden sie nicht nur von einer Seite beleuchtet. Und das macht aus BRIXTON HILL mehr als einen guten Thriller, der er zweifelsohne auch ist.

Zoë Beck versteht es nämlich durch ihr erzählerisches Talent (das sie im übrigen auch bei ihren Lesungen beweist, wie ich im letzten Frühjahr erfahren durfte, als sie sich zu einer Lesung in mein kleines Provinzkaff verirrt hatte und sehr gute Entertainment-Qualitäten zeigte; abgesehen davon kann man ihr auch eine gewisse Attraktivität nicht absprechen, aber das hat jetzt nicht mehr viel mit dem Buch, um das es hier geht, zu tun) diese verschiedenen Themen so geschickt in die Kriminalhandlung einzubauen, dass es des Spannung keinen Abbruch tut. Im Gegenteil: durch die so aufgezeigten verschiedenen Lösungsansätze wird der Leser ein ums andere Mal auf eine falsche Fährte geführt, um von der Auflösung am Ende dann doch etwas überrascht zu werden. Kurzum: BRIXTON HILL ist wahrscheinlich einer der deutschen Krimi-Highlights des letzten Jahres. Nicht nur aufgrund der Spannung, sondern auch wegen der Verflechtung aktueller Themen und natürlich auch wegen des Sprachstils der Autorin, die das Buch zu einem wahren Pageturner machen, bei dem man en passant noch etwas mehr als „nur“ (was an sich schon reichen würde) gute Unterhaltung mitbekommt.

Fazit: Sehr guter Thriller, der geschickt mehrere Themen miteinander verstrickt, niemals unlogisch wird und mit einer überraschenden Auflösung daherkommt.


Zoë Beck: Brixton Hill
Thriller
Heyne, Dezember 2013
384 Seiten
8,99 € (Taschenbuch)
ISBN: 978-3453410428
(auch  als E-Book erhältlich: 7,99 €)

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