Der Verlag Chaotic Revelry, der
seinen Sitz im rheinländischen Swisttal hat, ist mir bisher nur durch seine
Anthologie OBERHORROR bekannt gewesen, die bei anderen Bloggern nicht so gut
weg gekommen ist, um es mal vorsichtig auszudrücken. Ein Grund mehr einen Blick
auf die neueste Publikation des Verlags zu werfen, dessen Programm laut
Homepage „humorvoll-anarchisch“ geprägt sein soll. Dann passt der Titel der
Storysammlung von Andreas Schumacher schon mal optimal: DIE
ZECKENBÜRSTENKATZENTREPPE (ich möchte nicht wissen, wie oft ich diese vier Hauptwörter
schon durcheinandergewirbelt habe). 29 Erzählungen und Dramolette hat der Band
zu bieten und mindestens genauso viele skurrile Charaktere. Denn eines vorweg:
auch wenn manche Geschichten, nicht ganz das einlösen können, was man sich nach
den ersten drei Erzählungen erhofft, so besitzt fast jede der Stories ein hohes Maß an Originalität.
Aber der Start hat es in sich: „Alle
vier Wochen“ ist ein E-Mail-Dialog, der sich nach dem Kauf des Buches ALLE
SIEBEN WELLEN von Daniel Glattauer auf einem Buchportal (welches ist wohl mit
buchsuch.de gemeint?) entwickelt. Man muss Glattauers Buch nicht kennen, damit
die Erzählung funktioniert, aber wie Schumacher hier den Roman persifliert und ihn am
Ende noch in banale Niederungen führt, ist herrlich. In der Geschichte „Kauder, Mystery Shopper“
ist der Leser mit einem Testkäufer unterwegs und während eines seiner Testkäufe
erfährt man einiges witziges aus Kauders bisherigem Berufsleben. So stelle ich mir
humorvolle Kurzgeschichten vor. Auch die dritte bietet Humor vom Feinsten:: der
„Brief eines Vaters“ an einen Labyrinth-Besitzer steuert zwar von Anfang an auf
die erwartbare Katastrophe zu, aber was bis dahin passiert ist realistischer
Slapstick, der sich gewaschen hat.
Wie schon erwähnt können nicht
alle Erzählungen das Niveau halten. Ich will nicht auf jede der 28 Erzählungen
einzeln eingehen, weil das den Rahmen sprengen würde. Aber einige
stichprobenartig vorstellen. Zu den weniger gelungenen Stories zählen die
Geschichten, die sich mit dem Dichterleben auseinandersetzen, die zum einen ein
Problem haben, das Geschichten die Autoren in den Mittelpunkt setzen oft haben:
Geschichten über Dichter mögen Dichter interessieren, die meisten Leser
interessieren sie nicht. Aber es gibt so viele Geschichten über Schriftsteller,
weil diese nun mal gerne über das schreiben, was sie am besten kennen. Und das soll
jetzt nicht als Vorwurf verstanden sein, sondern nur als Feststellung. Zum
anderen wirken die „Dichter-Erzählungen“ dieses Bandes auf mich etwas vorhersehbarer als die
meisten anderen und machen auch einen leicht überkonstruierten Eindruck.
Ihnen geht die Leichtigkeit vieler anderer Geschichten ab. Auch die Szenen, die
Dramolette, haben meinen Geschmack nicht voll getroffen. Sie sind zum großen
Teil sinn- und inhaltslos, was wahrscheinlich beabsichtigt ist, aber mich eher
gelangweilt hat. Ich hatte keine Lust mich zu fragen, was der nackte Mann im
Fahrstuhl soll und warum sich der Verkäufer im Juwelier so verhält, wie er sich
verhält. Dazu war mir die Sprache in den Szenen zu gestelzt. Ich kann mir
vorstellen, dass einige der Szenen auf einer Bühne ganz gut funktionieren, aber
als reine Lesestücke funktionieren sie – bei mir jedenfalls – nicht.
Aber genug gemeckert: Es gibt
noch genug positive Sachen über diese Sammlung zu berichten. Ab und zu kommt
nämlich auch eine Geschichte, die den eher humoristischen Ansatz, der meisten
Geschichten konterkariert. „Die Akte Holzel“ beispielsweise ist eine Bericht
über einen Insassen einer psychiatrischen Einrichtung, die auf ganz subtile
Weise Schrecken verbreitet, der beim flüchtigen Lesen erst gar nicht
durchscheint. Oder die auch in ZWIELICHT CLASSIC 1 zu findende Geschichte „Der
neue Nachbar“. Eine bitterböse Science-Fiction-Geschichte, die Essgewohnheiten
und Vorurteile aufs Korn nimmt. Und die wechseln sich ab mit wunderbar
skurrilen Stories über Messies, die ihren Sozialversicherungsausweis suchen oder die Katastrophen die das Erschleichen von Speis und Trank auf Messen nach sich ziehen kann. Dazu kommen noch wirklich witzige Stories wie „Einmal
durch die ganze Stadt“ (eine Srewball-Comedy-Verfolgungsjagd) und „Der Apfel“
(ein merkwürdiger Todesfall bei einer Landwirt-Kuppel-Show im Fernsehen).
Abschließend bleibt
festzustellen, dass der positive Eindruck eindeutig überwiegt. Okay, es gibt
Sachen, die mir nicht so zugesagt haben, aber selbst diesen muss ich eine originelle
Grundidee bescheinigen. Ich würde zukünftigen Lesern aber raten, die Sammlung
nicht am Stück zu lesen. Ich kann mir vorstellen, dass die Geschichten eine
viel größere Wirkung entfalten, wenn man sich nach und nach jeweils auf eine
konzentriert und nicht wie der Verfasser dieser Zeilen von einer Geschichte zur
nächsten hetzt.
Eines muss ich noch erwähnen: das
Buch hat einen netten kleinen Gimmick. Eine Erzählung ist nämlich die Kopie
einer handgeschriebenen Erörterung über „Die dt. Automobilindustrie“, im Stile
einer Klassenarbeit, die dem Buch als lose DIN A-4 Blätter beiliegen.
Großartige Idee.
Fazit: Eine Storysammlung mit
größtenteils skurril-humorigen Erzählungen und Szenen, die in weiten Teilen
überzeugt, aber auch einige Schwachstellen hat. Wer Geschichten mit
intelligentem Humor mag, wird aber in diesem Buch einige davon finden.
Szenen und Erzählungen
Chaotic Revelry, Dezember 2013
278 Seiten
12,95 €
ISBN: 9783981581133"Die Zeckenbürstenkatzentreppe" bei Chaotic Revelry
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