Donnerstag, 9. Januar 2014

Bartholomäus Figatowski (Hrsg.): Wovon träumt der Dom?



Bartholomäus Figatowski liefert mit WOVON TRÄUMT DER DOM? bereits seine vierte Regionalanthologie mit phantastischen Geschichten ab. In WENN DIE BIIKEN BRENNEN spielten die Geschichten in Schleswig Holstein, in DER BASILIKUMDRACHE im Ruhrgebiet und in NEBEL ÜBER DER NIERS am Niederrhein. Nun ist Köln also der Ort des Geschehens. Und Köln hat bekanntlich einiges an Historie, aber auch an Sagen und Legenden zu bieten. Die 12 Autorinnen und Autoren toben sich in ihren Geschichten in verschiedenen Spielarten der Phantastik aus. Aber nun erst einmal ein Überblick über die einzelnen Kurzgeschichten:

Den Auftakt macht Nina Sträter mit der Geschichte „Wichtelbräu und Heinzelkölsch“. Sie bedient sich der wohl bekanntesten Kölner Sagengestalten, den Heinzelmännchen, und verbindet diese mit der kölschen Tradition des Bierbrauens. Sträters Kurzgeschichte ist eine Fantasy-Story, die mit viel Witz überzeugt und ein gelungener Opener des Bandes ist.
Karla Weigands „Tasmanische Begegnung“ ist eine typische Tier-Horror-Geschichte, die im Kölner Zoo spielt. Komischerweise gibt es in Horrorfilmen viel mehr Tier-Horror-Plots als in der Literatur. Leider muss ich sagen, denn wenn so eine gute Geschichte wie diese herauskommt, in der ein eigentlich ausgestorbenes Tier sein Unwesen treibt, dann möchte ich mehr Stories dieser Art lesen.

Bettina Forbrichs kurze Story „Bis zur letzten Seite“ thematisiert den Einsturz des Kölner Stadtarchivs aus dem Jahr 2009. Aber die Geschichte eines Juristen, der in den Trümmern des Archivs versucht, ein Buch aus einzelnen Seiten zusammenzusuchen, hat mich nicht vom Hocker gerissen und der Bezug zum Phantastischen war mir etwas zu weit hergeholt.

„Der Tunnel“ von Marika Bergmann ist die erste Geschichte, die im Karneval spielt. Aber der Karneval ist hier zweitrangig, denn es ist die Geschichte eines Zugezogenen, der von einem Kölschen Original in die Geschichte der Stadt eingeführt wird. Die Nibelungen spielen auch noch eine nicht unbedeutende Rolle. Bergmanns Geschichte ist zwar unterhaltsam, aber etwas zu eindimensional.

Die nächste Geschichte geht zurück zum römischen Ursprung der Stadt Köln. „Peregrinus… oder der Legionär“ von Rainer Schorm spielt  die Story wiederum während der tollen Tage. Ein Mitarbeiter des Römisch-Germanischen Museums wird Zeuge wie ein Kollege scheinbar den Verstand verliert. Das hat mit Ereignissen aus der Römerzeit zu tun. Eine gut konstruierte Kurzgeschichte, die Gegenwart mit der Vergangenheit kreuzt..

Katja Göddemeyers „Der Schattenbaum“ ist eine unheimliche Geschichte, die auf dem Melaten-Friedhof spielt. Obwohl die Short Story ziemlich vorhersehbar ist, liefert sie doch gruselige Unterhaltung.

Glauser-Preisträgerin Regina Schleheck verwebt in ihrer Kurzgeschichte „Wer et hätt jewoss“ meisterhaft eine alte Kölsche Geschichte mit der Gegenwart eines Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz, die am Ende noch mit einer überraschenden phantastischen Wendung aufwartet. Für mich eine der besten Geschichten der Anthologie.

„Selbdritt“ von Jörg Weigand ist eine zwar nicht besonders originelle aber trotzdem gute Story über einen Künstler, der für seinen Auftraggeber eine ungewöhnliche Selbdritt-Skulptur erschafft. Leider ist der Wunsch des Auftraggebers nicht ganz so, wie es sich  für katholische Verhältnisse ziemt. 

Und wieder Karneval: „D’r Zoch kütt“ von Susanne Haberland ist aber keine typische Karnevalsgeschichte. Ein alter Mann wird um Hilfe gebeten, aber wohin ihn dann seine Hilfsbereitschaft führt, ist mehr als überraschend. Ein weiteres Highlight der Sammlung.

In „Pachamama“ von Monika Niehaus spielt wieder der Kölner Zoo eine nicht unwesentliche Rolle. Eine clever konstruierte Geschichte, die nur in den Zwischentönen, die Hintergründe des Geschehens sichtbar macht. Das hohe Niveau der Vorgängergeschichte wird hier sogar noch überboten.

„Löwenwinter“ ist eine für diese Anthologie auf den ersten Blick untypische Geschichte . Nachdem die vorhergehenden Stories eher im Horror-Bereich anzusiedeln sind, ist Beate Felten-Leiders Erzählung mehr oder weniger eine Kindergeschichte. Ein Mädchen, das unter der Trennung ihrer Eltern leidet, hat einen Löwen als neuen Freund. Die Geschichte fällt aber nicht nur wegen ihrer Andersartigkeit auf, sondern auch weil sie einfach gut ist. 

Die abschließende Geschichte „Betriebsstörung“ von Karsten Beuchert schließt den Kreis. Denn wieder sind die Heinzelmännchen Thema. Aber an die Klasse der ersten Story reicht die Story eines Mannes, der im U-Bahn-Tunnel seltsame Geräusche hört, nicht heran. Leider kein gelungener Abschluss der Anthologie.

Nun will ich auch noch etwas zum Gesamteindruck sagen. Zuerst einmal finde ich die Idee von Lokal-Anthologien großartig. Fast jede Region hat einen großen Fundus an Sagen und Legenden, den Autoren der Gegenwart viel zu selten plündern. Es wird sich allzu oft dem Einheitsdiktat der Trends unterworfen und viel zu selten wird der reiche Geschichtenschatz, den es in Deutschland - wie wohl  in jedem anderen Land auch - gibt, benutzt. Bartholomäus Figatowski schafft es ein viertes Mal talentierte Autoren für eine seiner Anthologien zu rekrutieren, die sich von verschiedenen Seiten der Stadt Köln nähern. Natürlich gibt es qualitative Unterschiede. Die Geschichten von Regina Schleheck, Susanne Haberland und Monika Niehaus spielen in der höchsten Spielklasse. Karsten Beucherts und Bettina Forbrichs Geschichten sind bei mir durchgefallen. Aber trotzdem kann ich jedem, aber vor allem jedem Kölner, diese Sammlung nahe legen. Ich hoffe, dass WOVON TRÄUMT DER DOM? Vielleicht ein kleiner regionaler Verkaufsschlager wird. Denn der kleine gebundene Band eignet sich wunderbar als originelles Präsent, wenn man mal zufällig in einem Kölner Haushalt eingeladen sein sollte. Es bleibt hoffentlich nicht Figatowskis letzte Regional-Anthologie. Es gibt noch genug Städte und Landstriche, die spannende Geschichten zu bieten haben.

Fazit: Phantastische Geschichten aus Köln, die zeigen, dass sich Autoren ruhig häufiger an Themen aus dem deutschen Sagenschatz bedienen sollten. Da ist einiges herauszuholen. Ein inhaltlich und optisch ansprechendes Buch, dass hoffentlich nicht nur im Rheinland seine Leser finden wird.


Bartholomäus Figatowski (Hrsg.): Wovon träumt der Dom?
Phantastische Geschichten aus Köln
Verlag Nicole Schmenk, November 2013
Coverzeichnung: Michael Hüter
96 Seiten
10,90 €
ISBN: 978-3943022216

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