Bartholomäus Figatowski liefert mit WOVON TRÄUMT DER DOM? bereits
seine vierte Regionalanthologie mit phantastischen Geschichten ab. In WENN DIE
BIIKEN BRENNEN spielten die Geschichten in Schleswig Holstein, in DER
BASILIKUMDRACHE im Ruhrgebiet und in NEBEL ÜBER DER NIERS am Niederrhein. Nun
ist Köln also der Ort des Geschehens. Und Köln hat bekanntlich einiges an
Historie, aber auch an Sagen und Legenden zu bieten. Die 12 Autorinnen und
Autoren toben sich in ihren Geschichten in verschiedenen Spielarten der
Phantastik aus. Aber nun erst einmal ein Überblick über die einzelnen
Kurzgeschichten:
Den Auftakt macht Nina Sträter mit der Geschichte „Wichtelbräu
und Heinzelkölsch“. Sie bedient sich der wohl bekanntesten Kölner
Sagengestalten, den Heinzelmännchen, und verbindet diese mit der kölschen Tradition des
Bierbrauens. Sträters Kurzgeschichte ist eine Fantasy-Story, die mit viel Witz
überzeugt und ein gelungener Opener des Bandes ist.
Karla Weigands „Tasmanische Begegnung“ ist eine typische Tier-Horror-Geschichte,
die im Kölner Zoo spielt. Komischerweise gibt es in Horrorfilmen viel mehr Tier-Horror-Plots
als in der Literatur. Leider muss ich sagen, denn wenn so eine gute Geschichte
wie diese herauskommt, in der ein eigentlich ausgestorbenes Tier sein Unwesen
treibt, dann möchte ich mehr Stories dieser Art lesen.
Bettina Forbrichs kurze Story „Bis zur letzten Seite“
thematisiert den Einsturz des Kölner Stadtarchivs aus dem Jahr 2009. Aber die
Geschichte eines Juristen, der in den Trümmern des Archivs versucht, ein Buch aus
einzelnen Seiten zusammenzusuchen, hat mich nicht vom Hocker gerissen und der
Bezug zum Phantastischen war mir etwas zu weit hergeholt.
„Der Tunnel“ von Marika Bergmann ist die erste Geschichte,
die im Karneval spielt. Aber der Karneval ist hier zweitrangig, denn es ist die Geschichte
eines Zugezogenen, der von einem Kölschen Original in die Geschichte der Stadt
eingeführt wird. Die Nibelungen spielen auch noch eine nicht unbedeutende
Rolle. Bergmanns Geschichte ist zwar unterhaltsam, aber etwas zu
eindimensional.
Die nächste Geschichte geht zurück zum römischen Ursprung
der Stadt Köln. „Peregrinus… oder der Legionär“ von Rainer Schorm spielt die Story wiederum während der tollen Tage. Ein Mitarbeiter des Römisch-Germanischen
Museums wird Zeuge wie ein Kollege scheinbar den Verstand verliert. Das hat mit Ereignissen aus der Römerzeit zu tun. Eine gut konstruierte
Kurzgeschichte, die Gegenwart mit der Vergangenheit kreuzt..
Katja Göddemeyers „Der Schattenbaum“ ist eine unheimliche
Geschichte, die auf dem Melaten-Friedhof spielt. Obwohl die Short Story
ziemlich vorhersehbar ist, liefert sie doch gruselige Unterhaltung.
Glauser-Preisträgerin Regina Schleheck verwebt in ihrer
Kurzgeschichte „Wer et hätt jewoss“ meisterhaft eine alte Kölsche Geschichte
mit der Gegenwart eines Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz, die am Ende noch
mit einer überraschenden phantastischen Wendung aufwartet. Für mich eine der besten Geschichten der Anthologie.
„Selbdritt“ von Jörg Weigand ist eine zwar nicht besonders
originelle aber trotzdem gute Story über einen Künstler, der für seinen
Auftraggeber eine ungewöhnliche Selbdritt-Skulptur erschafft. Leider ist der Wunsch des Auftraggebers nicht ganz so, wie es sich für katholische Verhältnisse ziemt.
Und wieder Karneval: „D’r Zoch kütt“ von Susanne Haberland
ist aber keine typische Karnevalsgeschichte. Ein alter Mann wird um Hilfe
gebeten, aber wohin ihn dann seine Hilfsbereitschaft führt, ist mehr als überraschend. Ein weiteres Highlight der
Sammlung.
In „Pachamama“ von Monika Niehaus spielt wieder der Kölner
Zoo eine nicht unwesentliche Rolle. Eine clever konstruierte Geschichte, die
nur in den Zwischentönen, die Hintergründe des Geschehens sichtbar macht. Das
hohe Niveau der Vorgängergeschichte wird hier sogar noch überboten.
„Löwenwinter“ ist eine für diese Anthologie auf den ersten
Blick untypische Geschichte . Nachdem die vorhergehenden Stories eher im
Horror-Bereich anzusiedeln sind, ist Beate Felten-Leiders Erzählung mehr oder
weniger eine Kindergeschichte. Ein Mädchen, das unter der Trennung ihrer Eltern
leidet, hat einen Löwen als neuen Freund. Die Geschichte fällt aber nicht nur wegen ihrer Andersartigkeit auf, sondern auch weil sie einfach gut ist.
Die abschließende Geschichte „Betriebsstörung“ von Karsten
Beuchert schließt den Kreis. Denn wieder sind die Heinzelmännchen Thema. Aber an
die Klasse der ersten Story reicht die Story eines Mannes, der im U-Bahn-Tunnel seltsame Geräusche hört, nicht heran. Leider kein gelungener
Abschluss der Anthologie.
Nun will ich auch noch etwas zum Gesamteindruck sagen. Zuerst einmal finde ich die Idee von Lokal-Anthologien großartig. Fast jede Region hat einen großen Fundus an Sagen und Legenden, den Autoren der Gegenwart viel zu selten plündern. Es wird sich allzu oft dem Einheitsdiktat der Trends unterworfen und viel zu selten wird der reiche Geschichtenschatz, den es in Deutschland - wie wohl in jedem anderen Land auch - gibt, benutzt. Bartholomäus Figatowski schafft es ein viertes Mal talentierte Autoren für eine seiner Anthologien zu rekrutieren, die sich von verschiedenen Seiten der Stadt Köln nähern. Natürlich gibt es qualitative Unterschiede. Die Geschichten von Regina Schleheck, Susanne Haberland und Monika Niehaus spielen in der höchsten Spielklasse. Karsten Beucherts und Bettina Forbrichs Geschichten sind bei mir durchgefallen. Aber trotzdem kann ich jedem, aber vor allem jedem Kölner, diese Sammlung nahe legen. Ich hoffe, dass WOVON TRÄUMT DER DOM? Vielleicht ein kleiner regionaler Verkaufsschlager wird. Denn der kleine gebundene Band eignet sich wunderbar als originelles Präsent, wenn man mal zufällig in einem Kölner Haushalt eingeladen sein sollte. Es bleibt hoffentlich nicht Figatowskis letzte Regional-Anthologie. Es gibt noch genug Städte und Landstriche, die spannende Geschichten zu bieten haben.
Phantastische Geschichten aus Köln
Verlag Nicole Schmenk, November 2013
Coverzeichnung: Michael Hüter
Coverzeichnung: Michael Hüter
96 Seiten
10,90 €
ISBN: 978-3943022216
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