Freitag, 24. Januar 2014

Charlie Higson: Die Feinde


Man hat als Leser aktueller Horrorliteratur kaum Möglichkeiten ihnen zu entkommen: Zombies. An allen Ecken und Enden erscheinen neue Zombiebücher, vorzugsweise gleich ganze Serien. Sowohl deutsche Zombiebücher (ARMAGEDDON, DIE SUCHE NACH EDEN bei Begedia, GRAUES LAND bei Luzifer und zahlreiche Indie-Publikationen) als auch Übersetzungen überschwemmen geradezu den Markt. Wobei der Heyne Verlag den Ton bei den Übersetzungen angibt. Mit DIE FEINDE beginnt meines Wissens die vierte aktuelle Zombieserie des Verlags (Nach TAGEBUCH DER APOKALYPSE, THE WALKING DEAD und AUFSTIEG DER TOTEN, alles mindestens Dreiteiler). Das hat Vorteile: es erscheinen im Moment relativ viele Horrorromane; aber auch Nachteile: nun ja, die Handlungen ähneln sich schon sehr: eine Krankheit oder ähnliches dezimiert die Menschheit, aber nicht alle, die sterben sind wirklich tot und ein Haufen auf welche Art und Weise auch immer verschont gebliebener Überlebende sucht irgendwo ein heimeliges Plätzchen, wo man sich gefahrlos niederlassen kann und kämpft auf dem Weg dorthin mit allerlei Untoten. Da kann schnell ein Übersättigungseffekt beim geneigten Horror-Connaisseur auftreten.

Die Storyline von DIE FEINDE ist ungefähr so wie gerade beschrieben, also so wie bei den meisten anderen dystopischen Zombie-Büchern auch. Da ist es natürlich schwierig, in der Masse der Veröffentlichungen aufzufallen. Diese Serie  versucht es, indem sie auch jüngere Leser anspricht. Die Protagonisten sind nämlich Kinder und Jugendliche. Die Erwachsenen sind von einer mysteriösen Krankheit entweder dahingerafft oder zu stumpfsinnige (Menschen-)Fleischfressenden Wesen – Zombies halt – mutiert. Anders als der britische und auch der amerikanische Verlag, die die Serie ganz klar unter dem Etikett Young Adult vermarkten, tut Heyne das nicht. Und das ist gut so. Denn wahrscheinlich würden viele potentielle Leser dieses sehr gute Stück Horrorliteratur als Kinderkram abtun und die Finger davon lassen.

Sonntag, 19. Januar 2014

Michael White: Die Fährte der Toten

Michael White (warum müssen sich deutsche Autoren so oft ein Englisch klingendes Pseudonym aussuchen) hat mit dem Vampir-Thriller DIE FÄHRTE DER TOTEN 2013 sein Roman-Debüt hingelegt. Zwar ist die Welle der  Vampir-Romane in den letzten beiden Jahren stark abgeflaut, aber Dank der Glitzer-Vampire  a la TWILIGHT, kamen und kommen auch immer wieder „richtige“ Vampire auf den Buchmarkt. Und gegen einen guten Vampir-Roman ist nichts einzuwenden.  Aber bevor ich mich dazu äußere, ob DIE FÄHRTE DER TOTEN ein guter Vampir-Roman ist oder nicht, will ich einen kurzen Abriss des Inhalts geben.

In den ersten vier Kapiteln werden ganz klassisch die wichtigsten Personen eingeführt und schon mal kurz ein Blick in die Vergangenheit geworfen. Das junge Mädchen Lee,  wird, nachdem ihre Familie vor ihren Augen massakriert wird und sie entkommen kann, von einer Motorradgang aufgenommen. Schnell wird klar, dass andere Mächte hinter Lee sind, da sie ein Nachkomme irgendeiner Vampir-Blutlinie sein soll. So wird sie dann auch von dem alten Vampir Frank Gettys selbst zu einem verwandelt. Was nun folgt, ist eine typische schon vielfach erzählte Story, wo der frische Vampir (Lee) erst vom alten Vampir unterrichtet wird und sich dann von ihm abwendet, weil Lee es ihm nicht verzeihen kann, dass er sie verwandelt hat. Zu allem Übel sind noch ältere Vampire mit im Spiel, die mit Lee irgendwelche Pläne haben. Außerdem sind da ihre Rachegefühle, die sie wegen aus ihrer menschliche Vergangenheit, in ihre neue Existenzform mitgenommen hat.

Dienstag, 14. Januar 2014

Andreas Schumacher: Die Zeckenbürstenkatzentreppe

Der Verlag Chaotic Revelry, der seinen Sitz im rheinländischen Swisttal hat, ist mir bisher nur durch seine Anthologie OBERHORROR bekannt gewesen, die bei anderen Bloggern nicht so gut weg gekommen ist, um es mal vorsichtig auszudrücken. Ein Grund mehr einen Blick auf die neueste Publikation des Verlags zu werfen, dessen Programm laut Homepage „humorvoll-anarchisch“ geprägt sein soll. Dann passt der Titel der Storysammlung von Andreas Schumacher schon mal optimal: DIE ZECKENBÜRSTENKATZENTREPPE (ich möchte nicht wissen, wie oft ich diese vier Hauptwörter schon durcheinandergewirbelt habe). 29 Erzählungen und Dramolette hat der Band zu bieten und mindestens genauso viele skurrile Charaktere. Denn eines vorweg: auch wenn manche Geschichten, nicht ganz das einlösen können, was man sich nach den ersten drei Erzählungen erhofft, so besitzt fast jede der Stories  ein hohes Maß an Originalität.

Aber der Start hat es in sich: „Alle vier Wochen“ ist ein E-Mail-Dialog, der sich nach dem Kauf des Buches ALLE SIEBEN WELLEN von Daniel Glattauer auf einem Buchportal (welches ist wohl mit buchsuch.de gemeint?) entwickelt. Man muss Glattauers Buch nicht kennen, damit die Erzählung funktioniert, aber wie Schumacher hier den Roman persifliert und ihn am Ende noch in banale Niederungen führt, ist herrlich.  In der Geschichte „Kauder, Mystery Shopper“ ist der Leser mit einem Testkäufer unterwegs und während eines seiner Testkäufe erfährt man einiges witziges aus Kauders bisherigem Berufsleben. So stelle ich mir humorvolle Kurzgeschichten vor. Auch die dritte bietet Humor vom Feinsten:: der „Brief eines Vaters“ an einen Labyrinth-Besitzer steuert zwar von Anfang an auf die erwartbare Katastrophe zu, aber was bis dahin passiert ist realistischer Slapstick, der sich gewaschen hat.

Donnerstag, 9. Januar 2014

Bartholomäus Figatowski (Hrsg.): Wovon träumt der Dom?



Bartholomäus Figatowski liefert mit WOVON TRÄUMT DER DOM? bereits seine vierte Regionalanthologie mit phantastischen Geschichten ab. In WENN DIE BIIKEN BRENNEN spielten die Geschichten in Schleswig Holstein, in DER BASILIKUMDRACHE im Ruhrgebiet und in NEBEL ÜBER DER NIERS am Niederrhein. Nun ist Köln also der Ort des Geschehens. Und Köln hat bekanntlich einiges an Historie, aber auch an Sagen und Legenden zu bieten. Die 12 Autorinnen und Autoren toben sich in ihren Geschichten in verschiedenen Spielarten der Phantastik aus. Aber nun erst einmal ein Überblick über die einzelnen Kurzgeschichten:

Den Auftakt macht Nina Sträter mit der Geschichte „Wichtelbräu und Heinzelkölsch“. Sie bedient sich der wohl bekanntesten Kölner Sagengestalten, den Heinzelmännchen, und verbindet diese mit der kölschen Tradition des Bierbrauens. Sträters Kurzgeschichte ist eine Fantasy-Story, die mit viel Witz überzeugt und ein gelungener Opener des Bandes ist.

Dienstag, 7. Januar 2014

Rob Zombie & B. K. Evenson: Lords of Salem



Der Filmregisseur und Musiker Rob Zombie hat sich für sein Romandebüt Unterstützung mit ins Boot geholt. B.K. Evenson, der in den USA schon für einige Genrepreise  nominiert war, ist sein Co-Autor. Natürlich ist es für den Leser schwierig einzuschätzen, was welcher der beiden  Autoren zu dem Roman dazu gesteuert hat, zumal in der Übersetzung von Marcel Häusler auch noch eventuelle stilistische Unterschiede verwässert werden. Aber das soll wohl auch so sein. Ich gehe stark davon aus, dass Rob Zombie den Plot vorgegeben hat, den Evenson, dann romantauglich in Szene gesetzt hat.

LORDS OF SALEM beginnt mit einem Prolog im Jahr 1692 zu Zeiten der  berühmt-berüchtigten Hexenprozesse von Salem (Massachusetts). Die Hexenjäger Mather und Hawthorne töten eine ganze Schar Hexen unter der Führung von Margaret Morgan, die gerade einen Säugling dem Satan geopfert haben, der das Opfer auch wahrhaftig angenommen hat. Als letzten Akt vor ihrem Tod verflucht Margaret Morgan die Nachkommen der beiden Hexenjäger. Schnitt in die Gegenwart: Heidi Hawthorne arbeitet als Radio-DJane und muss zusammen mit zwei Kollegen eine norwegische Goth-Rock-Band namens The Lords (für jemanden, der sich mit deutscher Musikgeschichte auskennt, ist dieser Bandname eher anders besetzt, sodass ich etwas schmunzeln musste, als ich mir Lord Ulli als Gothrocker vorgestellt habe) interviewen. Die Band lässt eine Schallplatte im Sender. Als diese während eines Gesprächs des DJ-Teams mit einem Historiker zu den Hexenprozessen gespielt wird, spricht die Musik besonders einige weiblichen Zuhörer an, aber auf eine Art und Weise, die den Personen in ihrer Nähe alles andere als gut tut.. Auch Heidi Hawthorne erlebt einige Veränderungen. Was passiert in ihrem Nachbarappartement und ist ihre Vermieterin wirklich die nette ältere Hippie-Dame, die sie zu sein scheint. Oder wird sie von der Vergangenheit ihres Vorfahren und dem Fluch Margaret Morgans eingeholt?

Montag, 6. Januar 2014

David Simon & Ed Burns: The Corner


Eine Frage, die ich mir zu Beginn der Lektüre dieser 800-Seiten dicken Reportage gestellt habe, war, ob es heute überhaupt noch interessant ist, zu lesen, was zwei Journalisten 1997 in den USA veröffentlicht hatten. Zumal die Geschehnisse, die sie beschreiben, das Jahr 1993 betreffen. Um die Antwort vorwegzunehmen. Es war mehr als nur interessant dieses Buch zu lesen. In seinen besten Momenten hat es mich tief berührt und mich dazu gebracht, meine eigenen Standpunkte zu hinterfragen. Was will man mehr erwarten?

David Simon, der später basierend auf THE CORNER die Fernsehserie „The Wire“ schuf und der ehemalige Polizist Ed Burns haben über ein Kalenderjahr hinweg, das Leben an einer Straßenecke in West Baltimore beobachtet. In dem Teil der Stadt wohnen hauptsächlich Afroamerikaner und der Drogenhandel ist der Hauptwirtschaftszweig. Also würden wir hier aus der Ferne sagen: ein typisches amerikanisches Großstadt-Ghetto. Simon und Burns begleiten einige der dort lebenden Personen, die natürlich alle auf irgendeine Weise mit  harten Drogen zu tun haben, sei es als Konsumenten und/oder als Dealer. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Familie McCollough, die es früher schon fast aus dem Stadtteil herausgeschafft hätte. Aber nachdem zuerst die Fran Boyd, die Mutter der Familie an der Nadel hing, riss sie ihren Mann Gary mit in den Abgrund von Drogen und Verbrechen, sodass sie später genau dort waren, wo die meisten Leute des Viertels waren. Ganz unten und immer auf der Suche nach Geld für den nächsten Schuss. Der 16-jährige Sohn, der beiden, die nicht mehr zusammen leben, DeAndre ist am Beginn einer Karriere als Straßendealer. Er und seine gleichaltrigen Freunde erliegen den Verlockungen des schnellen Geldes, das durch den Drogenverkauf zu holen ist. Aber es gibt auch Personen wie Ella Thompson, die versucht mitten im Viertel in einem Jugendzentrum, so etwas wie eine Anlaufstelle für die Kinder und Jugendlichen zu sein und mit unerschütterlichem Optimismus daran arbeitet, den Kindern andere Perspektiven zu zeigen. Aber es werden auch die Junkies gezeigt, die von AIDS und anderen Krankheiten, natürlich hervorgerufen durch jahrelangen Heroinkonsum, gezeichnet, versuchen irgendwie den nächsten Kick zu bekommen.

Freitag, 3. Januar 2014

Zoë Beck: Brixton Hill


Es gab Zeiten, da hat sich die deutsche Literatur mit aktuellen Themen beschäftigt, die auf eine gewisse Art und Weise gesellschaftlich relevant waren. Ich habe das Gefühl, dass die sogenannte deutsche Gegenwartsliteratur mittlerweile nicht mehr so sehr um solche Themen dreht, sondern eher um den Literaturbetrieb und seine Teilnehmer oder um mehr oder weniger erfolglose Literaten und ihren Versuch irgendwie über die Runden zu kommen. Zum Glück gibt es die von den Feuilletons leider immer noch belächelte Kriminalliteratur. Denn dort werden mittlerweile die Geschichten erzählt, die auch die Leser interessieren könnte, die sich nicht unbedingt nur für das intellektuelle Leben in Deutschland interessieren.

BRIXTON HILL von Zoë Beck ist so ein Roman. Im Untertitel wird er Thriller genannt. Das einzige, was man nun gegen meine vorherigen Ausführungen ins Felde führen könnte, wäre, dass BRIXTON HILL in London spielt und auf dem ersten Blick wahrscheinlich herzlich wenig mit dem heimischen Alltag zu tun hat. Das ist richtig, aber auch vollkommen egal. Denn die Themen die Zoë Beck hier aufgreift sind eigentlich universell. Und was bei einem Thriller nicht ganz unwichtig ist: auch die Spannung kommt nicht zu kurz.