In
der BRIGITTE (ja, ab und zu blättere ich darin rum) habe ich von der
Legende der Entstehung der Passagen-Trilogie gelesen. Justin Cronins
Tochter fragte ihren Vater, warum er denn nicht eine Geschichte über
ein Mädchen schreibt, dass die Welt rettet. Dann setzte er sich an
den Schreibtisch und begann die Passagen-Trilogie zu schreiben. Der
erste Band, DER ÜBERGANG (THE PASSAGE) wurde ein Riesenerfolg, die
Filmrechte gingen schon lange vor Erscheinen für weit über eine
Million Dollar an 20th Century Fox und Ridley Scott ist
als Regisseur für die Verfilmung im Gespräch. Sogar in Deutschland
gab es eine gebundene Ausgabe bei einem großen Verlag
(Goldmann/Random House), was in diesem Genre eigentlich sonst nur
Stephen King und Dean Koontz vorbehalten ist.
Im
ersten Band wird auf über 1000 Seiten die Geschichte vom Untergang
der Zivilisation erzählt, der durch einen Virus ausgelöst wird, der
die Infizierten in vampirähnliche Wesen verwandelt und von dem
Erstinfizierten (Zero) und den direkt von ihm infizierten (Die Zwölf)
verbreitet wird. 93 Jahre später ist es Amy Harper Bellafonte, die
auch irgendwie mit dem ominösen Virus infiziert ist, die zusammen
mit einigen menschlichen Mitstreitern versucht, die bestehende
Ordnung und die Macht von Zero und den Zwölf zu brechen. Das ist
natürlich grob verkürzt und wird dem Inhalt von DER ÜBERGANG in
keinster Weise gerecht, aber hier geht es ja auch um den zweiten
Teil:
DIE
ZWÖLF (THE TWELVE) kann man grob in drei verschiedene Zeitebenen
unterteilen. Der Großteil des ersten Drittel des Buches spielt in
der Zeit des Ausbruchs des Virus. Die Geschichte vom Direktor der
Behörde (Horace Guilder), die verantwortlich für das Projekt Noah
ist, das den Ausbruch hervorgerufen hat, und einiger der ersten
Infizierten (u.a. Lawrence Grey) wird erzählt. Außerdem wird der
verzweifelte Kampf der Menschen, die sich sowohl vor den Virals (wie
die Infizierten genannt werden) als auch vor dem Militär schützen
müssen, in Einzelschicksalen beschrieben. Danach wird kurz auf die
Vorgeschichte von General Vorhees, den man aus DER ÜBERGANG kennt,
und einen Virals-Angriff, der später im Buch noch von Bedeutung
gewinnt, eingegangen. Die letzten zwei Drittel des über 800 Seiten
starken Romans spielen fünf Jahre nach den Hauptgeschehnissen des
ersten Bandes der Trilogie. Ohne zu viel vom Inhalt zu verraten, sei
gesagt, dass dort die Geschichte der meisten Pro- und Antagonisten
aus dem ersten Band weitererzählt und natürlich auch die im ersten
Drittel des Buches angefangenen Erzählstränge weitergeführt
werden. Das Ende des Romans bietet für ein Trilogie-Mittelstück
eine recht erfreuliche Auflösung. Trotzdem bleiben noch genug offene
Fragen, die die Spannung auf den dritten Teil (THE CITY OF MIRRORS,
voraussichtlicher US-Erscheinungstermin 2014) hoch halten.
Endzeit-Trilogien
scheinen gerade in Mode zu sein. In dem von mir zuvor besprochenen
zweiten Band der Newsflesh-Trilogie von Mira Grant oder in Z. A.
Rechts Toten-Trilogie (vielleicht durch seinen frühen Tod nur ein
Dreiteiler?) sind es durch einen Virus infizierte Zombies, die das
Ende der Welt, wie wir sie kennen, hervorrufen; in Cronins Trilogie
sind es Vampire (mehr oder weniger). Aber ein Trend ist schon zu
erkennen. Der erste, leicht erkennbare, Unterschied zu den von mir
erwähnten Zombie-Mehrteilern ist schon einmal der Umfang. Die beiden
bisher erschienenen Bände sind ca. 1000 Seiten stark. Da kann sich
Autor schon einmal austoben. Darum bietet auch DIE ZWÖLF einige
Handlungsstränge, denen allen zu folgen, erstens nicht immer einfach
ist, und zweitens sind auch nicht alle gleich interessant bzw.
spannend. Darum haben mich einige Kapitel, die vielleicht wichtig für
den Fortgang der Handlung waren, eher gelangweilt. Das hätte man
entweder kürzer oder spannender machen können. Aber wahrscheinlich
bleibt das bei einem Roman dieser Länge, der auch noch als
Mittelteil eines noch längeren Gesamtwerks ausgelegt ist, gar nicht
aus.
Aber
was ich hier betreibe ist Meckern auf hohem Niveau. (Und damit meine
ich ganz bestimmt nicht mein Meckern.) Über die Länge des Romans
schafft es Cronin immer wieder Spannung aufzubauen. Schon der Prolog,
in dem ein weit in der Zukunft spielendes Werk biblischen Charakters
„zitiert“ wird, macht durch seine Anspielungen neugierig auf das
, was da noch kommen mag und gibt im Endeffekt auch Hoffnung auf ein
heilbringendes Ende der Trilogie. Diese Spannung wird den ganzen
Roman über, mal mehr und mal weniger gehalten, so dass man gerne bis
zum Ende dabei bleibt und mit den durch die Bank sympathischen
Hauptfiguren mitfiebert.
Zum
ganz großen Wurf fehlt in meinen Augen nicht viel. Durch die vielen
Protagonisten verliert sich zwar manchmal die Struktur des Ganzen.
Aber trotzdem werden die allermeisten Handlungsstränge zum Ende hin
aufgelöst und das, obwohl noch ein dritter Band folgen wird. Cronin
hat es geschafft, mich über so viele Seiten interessiert bei der
Stange zu halten, mir einen befriedigenden Abschluss zu bieten und
dabei trotzdem noch so viele mögliche Enden offen gelassen hat, dass
ich den dritten Band der Trilogie kaum erwarten kann.
Fazit:
Mittelstück einer groß angelegten Vampir-Dystopie-Trilogie.
Freunde des Genres bekommen das, was sie erwarten. Es ist nicht die
Neuerfindung des Rads, aber sehr, sehr gute Genre-Kost. Jeder, der
sich denkt, warum schreibt Stephen King nicht mal wieder einen
1-A-Horror-Roman, sollte zu dieser Trilogie greifen. Zwar hat Cronin
(noch) nicht die erzählerischen Qualitäten, die King gerade in
letzter Zeit (zwar nicht unbedingt im Genre) wieder zeigt, aber er
kommt dem schon ziemlich nahe. Nehmt euch die Zeit, lest erst den
ersten Band (DER ÜBERGANG) und dann DIE ZWÖLF. So viel in dieser
Qualität ist in letzter Zeit im Horror-Genre nicht erschienen.
Justin Cronin: Die Zwölf
Roman
Goldmann, Januar 2013
Originaltitel: The Twelve (2012)
Übersetzung: Rainer Schmidt
832 Seiten
22,99 € (Gebundene Ausgabe)
ISBN: 978-3-442-31179-8
(auch als E-Book erhältlich: 18,99 €)
Leseprobe
"Die Zwölf" bei Goldmann / Random House
"Die Zwölf" bei Amazon
Kindle Edition
Leseprobe
"Die Zwölf" bei Goldmann / Random House
"Die Zwölf" bei Amazon
Kindle Edition
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen