Vampire
Cocktail ist die erste
Anthologie des 2012 neugegründeten Art Skript Phantastik Verlags.
Wie der Titel nahelegt, haben die in dem Buch enthaltenen 16
Geschichten zwei Vorgaben gehabt: Vampire sollen darin vorkommen und
Getränke, im besten Fall Cocktails, sollen auch eine Rolle spielen.
Nach
dem Twilight-Boom der
letzten Jahre habe ich persönlich immer ein wenig Angst, wenn ich
ein Buch mit Vampirgeschichten in die Hand nehme. Dieser
romantisierende Quatsch, der mit den Geschöpfen der Nacht dort
betrieben wurde, ist mir nämlich arg zuwider. Für mich sollte ein
Vampir böse sein. Ich weiß heute noch, wie ich Nächte lang nicht
vernünftig schlafen konnte, nachdem ich in jungen Jahren das erste
Mal Polanskis Tanz der Vampire gesehen
hatte. Das ist zwar ein eher lustiger Film. Aber Graf Krolock hat
meinem jugendlichen Ich richtig Angst eingeflößt.
Also habe ich die Furcht bekämpft und begonnen zu
lesen. Die meisten der Autoren haben mir vom Namen her erst einmal
nichts gesagt. Nur von dreien hatte ich schon mal etwas gelesen. Die
Herausgeberin verspricht Abwechslung. Das hört sich schon mal gut
an. Und neugierig auf (mir) unbekannte deutsche Autorinnen und
Autoren bin ich allemal. Also los gehts:
Stephanie Mühlsteph: Bittersüß wie Absinth
Die erste Geschichte versetzt uns ins London des
ausgehenden 19. Jahrhunderts. In einer typischen Opiumhöhle der Zeit
überbringt eine Vampirin einem anderen Vampir, der sich eines
Vergehens schuldig gemacht hat, bei einem Glas Absinth das Urteil der
Vampirgemeinschaft. Das ganze ist okay, aber gerade zum Ende fehlt
ein wenig das Überraschungsmoment. Ein durchschnittlicher Auftakt
der Anthologie der Luft nach oben lässt.
Denise Mildes: Legenden
Legenden spielt in einer heruntergekommenen New
Yorker Bar. Ein Mann trinkt dort ein Bier und kommt mit einem anderen
Mann ins Gespräch, von dem er das glaubt, dass er ihn vor sehr
langer Zeit schon einmal begegnet ist. Auch das ist eine ordentliche
Geschichte, mit einer zwar vorhersehbaren, aber dennoch guten
Schlusspointe.
Michael Zandt: Unter dem Nebelmond
Im Stuttgart einer Parallelwelt (wo zum Teil auch Zandts
zwei bisher erschienene Romane spielen) wird eine Lamia von einem
Ordnungshüter nach einer Gesetzesübertretung erpresst, seiner
Tochter zu helfen. Das ist von mir jetzt etwas kryptisch formuliert.
Aber ich will nicht zu viel verraten. Das erste Highlight des Bandes.
Eine großartige Geschichte, die auch noch toll erzählt wird. Das
untrüglichste Zeichen übrigens, dass man sich nicht in der realen
Welt befindet, sind meines Erachtens aber nicht die Lamia und
ähnliche Wesen, sondern die Tatsache, dass die Stuttgarter Kickers
hier eine Spitzenmannschaft sind.
Diana Scott: Fang mich, wenn du kannst
Das ist so eine Geschichte vor der ich mich gefürchtet
hatte. Eine geschiedene, sexuell ausgehungerte Frau wird während
ihres Urlaubs vom Hotelbesitzer (offensichtlich ein Vampir)
angegraben und verfällt dem unheimlichen Fremden, obwohl sie sich
vor ihm fürchtet. Grässliche Schmonzette auf
Dr.-Stefan-Frank-Niveau.
Sabine Frambach: Kleiner Zauber
Sabine Frambach ist eine sehr amüsante, aber auch sehr
kurze Geschichte geglückt, in der ein Vampir seine, durch einen
tragischen Unfall verstorbene Gefährtin, mittels eines Mojitos
wieder zum untoten Leben erwecken will. Ob Niederländer die
Geschichte auch so lustig finden werden wie ich, ist eher fraglich.
Bianka Brack: Auf dem Weg zum Mars trinke ich nie
Bloody Mary
Geschichte Nummer Sechs ist eine SF-Vampir-Story. Eine
Vampirin, die sich als Auftragskillerin verdingt hat, trifft auf
einem Flug zu einem Job auf den Mars einen Vampirjäger, der zu
Zeitreisen in der Lage ist. Bei einem Gespräch an der Bar bringt sie
ihn zum Nachdenken über seine bisherigen Taten. Das
Science-Fiction-Setting ist eine nette Abwechslung, aber die
Geschichte als solche kommt nicht über den Durchschnitt hinaus.
Markus Heitkamp: Bloody Brain
Eine Vampirin verirrt sich auf einer Nordsee(?)-Insel in
eine Bar, wo gerade eine Vampir-Kostüm-Party läuft, in deren
Verlauf sie einige Cocktails mixt und das Herz der Barbesitzerin
erobert. Das alles ist bemüht auf witzig getrimmt und noch gespickt
mit pubertären männlichen Sexphantasien. Und dazu lässt auch der Stil des Autors zu wünschen übrig.
Alessandra Reß: Neonnacht
Hier bekommt eine junge Dame, die gerade von ihrem
Freund verlassen wurde, in einer Shisha-Bar von einer Vampirin ein
verlockendes Angebot. Durchschnittliche Geschichte, die ein bisschen
bieder und überraschungsarm daherkommt.
Sabrina Zelezný: Pisco Sour, Pishtaco Sour
Eine Vampirin ist im peruanischen Hochland per Zug auf
dem Weg zu ihrem Gefährten. Beide suchen sich vor ihrem Treffen noch
ein Opfer aus. Doch beide Opfer sind nicht das, was sie zu sein
scheinen. Interessant und geschickt werden hier drei verschiedene
Mythen zu einer stimmigen Geschichte verwebt. Klasse.
Stefanie Bender: Blutcocktail
Eine Barkeeperin lässt sich auf ein Spiel mit einer
Vampirin ein, um das Leben ihres Freundes und sich vor einer Zukunft
als Vampir zu retten. Krude Story, der es an allem, vor allem aber an
Logik, fehlt.
Sigrid A. Urban: Insiderwissen inklusive
Einem etwas arroganten Horrorautor bekommt in einer
Gothic-Disco auf unliebsame Weise seine Recherchen zu einem
Vampirroman vertieft. Die Geschichte ist okay, aber zu kurz um
wirklich zu überzeugen.
Nina Sträter: Garvamore, der beste Single Malt
Whisky der Welt
Bei der Verkostung eines wegen einer Vampirlegende
besonders seltenen Single Malts kommt es zu einem fiesen Finale.
Besonders durch zwei wunderbar kauzige Journalisten bekommt diese
Geschichte etwas vom Charme alter Heftromanklassiker aus den 1970er
Jahren. Sehr, sehr gute Hommage an trashige Vampirgeschichten.
Olaf Lahayne: Spielhölle
Eine offensichtlich spielsüchtige Frau erhält von
einem Mann die Gabe weitergegeben, jedes Glücksspiel zu gewinnen.
Diese Geschichte mag alles sein, nur eines ist sie nicht: eine
Vampirgeschichte. Thema verfehlt und dazu auch noch langweilig.
Leonie Sielska: Miami Nights
Die Friedensverhandlungen einer Vampir- und einer
Werwolffamilie in Miami werden durch den Rachefeldzug einer einzelnen
Vampirin sabotiert. Ein an den Film Underworld erinnerndes
Szenario, das eine gut erzählte und spannend konstruierte Geschichte
liefert. Noch ein Highlight der Anthologie.
Jana Oltersdorff: Der perfekte Cocktail
Der Vampir Harry Petersen ist der Besitzer einer
Vampir-Bar in Frankfurt. Kurz vor der großen monatlichen
Vampir-Party bekommt er unerwarteten Besuch von der neuen städtischen
Lebensmittelkontrolleurin. Lustige Geschichte, die es durch einige
sehr gute Pointen schafft, dem Leser die Mundwinkel in Höhe zu
ziehen.
Sven Linnartz: Der Gast ist König
Die abschließende Geschichte des Buches ist der Monolog
eines Discobesitzers, der parallel zu einer Disco für die junge und
solvente akademische Elite auch noch einen Club für die noch
betuchtere Vampirkaste führt. Uninteressant und langweilig.
Grit Richter (Hrsg.): Vampire Cocktail
Geschichten aus der Vampirwelt
Art Skript Phantastik, Juli 2012
288 Seiten
11,80 € (Taschenbuch)
ISBN: 978-3-9815092-5-0
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