Montag, 22. Juli 2013

Piers Anthony: Schatten des Baumes




Es gibt Romane, die sind zeitlos. Und es gibt Romane, die passen vielleicht genau in ihre Entstehungszeit, aber schon ein paar Jahre später wirken sie wie ein Relikt vergangener Zeiten. In letztere Kategorie fällt "Schatten des Baumes" von Piers Anthony. Der Roman erschien erstmals 1986, was man ihm anmerkt. Es ist ein typischer Vertreter des 80er-Jahre-Horror-Thrillers, wie sie seinerzeit von Dean Koontz, John Saul und Konsorten auch den deutschen Buchmarkt erreichten. Aber was in Deutschland erschien, war nur die Spitze des Eisbergs. Im angloamerikanischen Sprachraum kamen einige interessante Bücher heraus, die leider nie übersetzt wurden.

So dauerte es auch 27 Jahre bis eine deutsche Fassung von "Shade of the Tree" auf den hiesigen Markt kam. Und das, obwohl es sich bei Piers Anthony um einen auch im deutschen Sprachraum nicht unbekannten Autor handelt. Von seinen "Xanth"-Romanen sind bei Bastei Lübbe 22 erschienen und auch einige seiner anderen Fantasy-Bücher wurden hier verlegt. Aber das war dann wohl auch das Problem von "Schatten des Baumes". Piers Anthony war dem deutschen Publikum als Fantasy-Autor bekannt. Und beim damals wohl noch mehr als heute ausgeprägten Schubladendenken in der deutschen Verlagswelt, konnte man dem Publikum keinen Horror-Roman von einem Fantasy-Autor zumuten.
Jetzt also hat sich Joachim Körber des Romans angenommen, ihn übersetzt und in seinem Verlag Edition Phantasia als Horror Paperback Nummer 11 herausgegeben. Aber wovon handelt das Buch eigentlich: Der relativ frisch verwitwete Joshua Pinson zieht mit seinen beiden Kindern in ein von seinem exzentrischen Onkel geerbtes einsam gelegenes Haus in den Wäldern Floridas. Dieses Haus liegt, wie der Titel nahe legt, im Schatten eines riesigen, uralten Baumes. Es geschehen seltsame Dinge auf dem Anwesen. Das Haus hat in der Umgebung den Ruf eines Spukhauses. Nicht nur, das besagter Onkel sich selbst mit einer Motorsäge tötete, sondern es wurden dort angeblich Geistererscheinungen gesichtet. Zuerst hält Joshua nichts von diesen Geschichten. Aber nach und nach merkt auch er, dass in dem und um das Haus herum nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Spätestens als sein erstes Kindermädchen erschrocken das Weite sucht, muss er sich eingestehen, dass mehr dahinter steckt.

"Schatten des Baumes" hätte mir vor 25 Jahren bestimmt gefallen. Aber leider kann ich ihn 2013 nicht mehr ernst nehmen. Das sich das zweite Kindermädchen als 19-jährige Sexbombe entpuppt, deren Lebenstraum es ist, sich an einen älteren Mann zu binden, der ihr das gibt, was Gleichaltrige nicht geben können, lasse ich noch als Alt-Männer-Phantasie eines zur Entstehung des Romans schon über 60-jährigen Autors gelten. Aber das eben dieses Kindermädchen später so inkonsequent in ihrem Handeln ist, kann ich nicht nachvollziehen. Genauso wenig ist es nachvollziehbar, dass ein Vater, dem offensichtlich klar ist, dass seine Kinder in Lebensgefahr sind, mal eben für ein paar Tage nach New York jettet. Auch wenn er wichtige berufliche Gründe hat, gäbe es immer noch andere Möglichkeiten als seine Kinder mit der 19-jährigen Nanny im "Spukhaus" zurückzulassen. Und da soll mir jetzt keiner mit dem Argument kommen, dass das Horrorgenre von unlogischen Aktionen seiner Protagonisten lebt. Diese unlogischen Aktionen sollten zumindest plausibel erkärt werden. Sonst passt es nicht.

Da viel 80er-Jahre-Zeitgeist in das Buch eingeflossen ist, hat es auch eine offene Öko-Botschaft, die besonders am Ende des Buches dem Leser mit dem Holzhammer übergebraten wird. Hier wäre weniger mehr gewesen. Die Botschaft, etwas subtiler verpackt, würde dann vielleicht auch gut 30 Jahre später jemanden hinter dem Ofen hervorlocken. Da die angesprochenen Probleme eigentlich immer noch aktuell sind.

Noch ein Satz zur Übersetzung. So sehr ich Joachim Körbers Übersetzungen schätze, hier scheinen doch einige Sätze misslungen. Ein Satz wie "Die Hunde freuten sich von vorne, ihn zu sehen, obwohl er nur ein paar Minuten weg gewesen war." hat sich mir erst nach langem Überlegen erschlossen. Das Problem ist meiner Meinung nach, dass Übersetzung und Lektorat hier laut Impressum in einer Hand lagen.

Die Aufmachung des Paperbacks ist vom Feinsten. Das Titelbild von Timo Kümmel ist gewohnt stark und das Buch ist, wie eigentlich alle Bücher der Edition Phantasia, eine Zierde für jedes Bücherregal.


Fazit: Etwas altbackener und eher schwacher Horrorroman aus dem Jahre 1986. Trotzdem eine interessante Lektüre für alle, die sich ein wenig mit der Geschichte des Genres auseinander setzen wollen.

 
Piers Anthony: Schatten des Baumes
Originaltitel: Shade of the Tree (1986)
Aus dem Amerikanischen von Joachim Körber
Titelbild: Timo Kümmel
Edition Phantasia, Februar 2013
374 Seiten
19,80 €
ISBN: 978-3-937897-48-6

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