Es
gibt Romane, die sind zeitlos. Und es gibt Romane, die passen
vielleicht genau in ihre Entstehungszeit, aber schon ein paar Jahre
später wirken sie wie ein Relikt vergangener Zeiten. In letztere Kategorie fällt
"Schatten des Baumes" von Piers Anthony. Der Roman erschien
erstmals 1986, was man ihm anmerkt. Es ist ein typischer Vertreter des
80er-Jahre-Horror-Thrillers, wie sie seinerzeit von Dean Koontz, John
Saul und Konsorten auch den deutschen Buchmarkt erreichten. Aber was in
Deutschland erschien, war nur die Spitze des Eisbergs. Im
angloamerikanischen Sprachraum kamen einige interessante Bücher
heraus, die leider nie übersetzt wurden.
So
dauerte es auch 27 Jahre bis eine deutsche Fassung von "Shade of
the Tree" auf den hiesigen Markt kam. Und das, obwohl es sich bei Piers Anthony um einen auch im deutschen Sprachraum nicht unbekannten Autor
handelt. Von seinen "Xanth"-Romanen sind bei Bastei Lübbe
22 erschienen und auch einige seiner anderen Fantasy-Bücher wurden
hier verlegt. Aber das war dann wohl auch das Problem von "Schatten
des Baumes". Piers Anthony war dem deutschen Publikum als
Fantasy-Autor bekannt. Und beim damals wohl noch mehr als heute
ausgeprägten Schubladendenken in der deutschen Verlagswelt, konnte
man dem Publikum keinen Horror-Roman von einem Fantasy-Autor zumuten.
Jetzt
also hat sich Joachim Körber des Romans angenommen, ihn übersetzt
und in seinem Verlag Edition Phantasia als Horror Paperback Nummer 11
herausgegeben. Aber wovon handelt das Buch eigentlich: Der relativ
frisch verwitwete Joshua Pinson zieht mit seinen beiden Kindern in
ein von seinem exzentrischen Onkel geerbtes einsam gelegenes Haus in
den Wäldern Floridas. Dieses Haus liegt, wie der Titel nahe legt, im
Schatten eines riesigen, uralten Baumes. Es geschehen seltsame
Dinge auf dem Anwesen. Das Haus hat in der Umgebung den Ruf eines
Spukhauses. Nicht nur, das besagter Onkel sich selbst mit einer
Motorsäge tötete, sondern es wurden dort angeblich Geistererscheinungen gesichtet. Zuerst hält Joshua nichts von
diesen Geschichten. Aber nach und nach merkt auch er, dass in dem und um das Haus herum nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Spätestens als sein
erstes Kindermädchen erschrocken das Weite sucht, muss er sich eingestehen, dass
mehr dahinter steckt.
"Schatten
des Baumes" hätte mir vor 25 Jahren bestimmt gefallen. Aber
leider kann ich ihn 2013 nicht mehr ernst nehmen. Das sich das zweite
Kindermädchen als 19-jährige Sexbombe entpuppt, deren Lebenstraum
es ist, sich an einen älteren Mann zu binden, der ihr das gibt, was
Gleichaltrige nicht geben können, lasse ich noch als
Alt-Männer-Phantasie eines zur Entstehung des Romans schon über
60-jährigen Autors gelten. Aber das eben dieses Kindermädchen
später so inkonsequent in ihrem Handeln ist, kann ich nicht
nachvollziehen. Genauso wenig ist es nachvollziehbar, dass ein Vater,
dem offensichtlich klar ist, dass seine Kinder in Lebensgefahr sind,
mal eben für ein paar Tage nach New York jettet. Auch wenn er
wichtige berufliche Gründe hat, gäbe es immer noch andere
Möglichkeiten als seine Kinder mit der 19-jährigen Nanny im
"Spukhaus" zurückzulassen. Und da soll mir jetzt keiner mit
dem Argument kommen, dass das Horrorgenre von unlogischen Aktionen
seiner Protagonisten lebt. Diese unlogischen Aktionen sollten
zumindest plausibel erkärt werden. Sonst passt es nicht.
Da
viel 80er-Jahre-Zeitgeist in das Buch eingeflossen ist, hat es auch
eine offene Öko-Botschaft, die besonders am Ende des Buches dem
Leser mit dem Holzhammer übergebraten wird. Hier wäre weniger mehr
gewesen. Die Botschaft, etwas subtiler verpackt, würde dann
vielleicht auch gut 30 Jahre später jemanden hinter dem Ofen
hervorlocken. Da die angesprochenen Probleme eigentlich immer noch
aktuell sind.
Noch
ein Satz zur Übersetzung. So sehr ich Joachim Körbers Übersetzungen
schätze, hier scheinen doch einige Sätze misslungen. Ein Satz wie
"Die Hunde freuten sich von vorne, ihn zu sehen, obwohl er nur
ein paar Minuten weg gewesen war." hat sich mir erst nach langem
Überlegen erschlossen. Das Problem ist meiner Meinung nach, dass
Übersetzung und Lektorat hier laut Impressum in einer Hand lagen.
Die
Aufmachung des Paperbacks ist vom Feinsten. Das Titelbild von Timo
Kümmel ist gewohnt stark und das Buch ist, wie eigentlich alle
Bücher der Edition Phantasia, eine Zierde für jedes Bücherregal.
Fazit:
Etwas altbackener und eher
schwacher Horrorroman aus dem Jahre 1986. Trotzdem eine interessante
Lektüre für alle, die sich ein wenig mit der Geschichte des Genres
auseinander setzen wollen.
Originaltitel: Shade of the Tree (1986)
Aus dem Amerikanischen von Joachim Körber
Titelbild: Timo Kümmel
Edition Phantasia, Februar 2013
374 Seiten
19,80 €
ISBN: 978-3-937897-48-6
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