Dienstag, 1. Januar 2013

Anette Strohmeyer: Ondragon - Menschenhunger




Reinen E-Book-Publikationen haftet (noch?) ein Geruch des Dilettantischen an. Um es vorwegzunehmen: Dieser Roman ist alles andere als dilettantisch gemacht. Er ist erschienen bei einem Verlag namens Psychothriller GmbH, dessen Website man entnehmen kann, dass er ursprünglich als Hörbuch- bzw. Hörspielverlag gegründet worden ist, sich aber mittlerweile als reiner E-Book-Verlag versucht. Und eben der Roman „Ondragon - Menschenhunger“ war im März 2012 das erste E-Book des Verlags, dass das Licht der Öffentlichkeit erblickte.


„Menschenhunger“ ist als Auftakt einer Serie konzipiert. Paul Eckbert Ondragon, ein in Los Angeles lebender Unternehmensberater mit deutsch-schwedischen Wurzeln, ist Namensgeber und Protagonist der Serie. Sein Geschäft ist schmutzig, er arbeitet nicht immer für die Guten, sondern für diejenigen, die am meisten bezahlen und löst Probleme auch auf illegale Art und Weise. Diesmal ist er aber in einer privaten Angelegenheit unterwegs: Er ist Patient in einem, in den tiefen Wäldern Nord-Minnessotas gelegenen, von Dr. Jonathan Arthur geleiteten Luxussanatorium für psychisch Kranke, also in einer Klapse für die Reichen und Schönen dieser Welt. Dort will er sich von einer Phobie kurieren lassen. (Ich will nicht zu viel verraten, aber E-Book-Reader sind für einen Phobiker dieser Art ein Geschenk des Himmels). Parallel dazu wird in kleinen Einschüben beschrieben, wie 1835 in der gleichen Gegend der Wendigo, ein indianischer Dämon, sein Unwesen treibt. Er metzelt eine Familie nieder und durch seinen Biss verwandelt sich ein Trapper langsam in ein wendigo-ähnliches Wesen mit plötzlichem Appetit auf Menschenfleisch. Zurück zur Gegenwart (2009): Aus Gewohnheit, weil er anscheinend berufsbedingt einen mittelschweren Kontrollwahn hat, verschafft sich Ondragon durch einen Einbruch und mit Hilfe eines befreundeten Hackers Informationen zu den anderen Patienten und den Angestellten der als Lodge firmierenden Nervenheilanstalt. Er findet unter anderem heraus, dass das Hauptforschungsgebiet des Klinikleiters Kannibalismus ist und einige der Patientenakten so sehr geschützt sind, dass man nicht an sie herankommen kann. Ondragon lernt nach und nach die Mitpatienten und Angestellten der Lodge kennen und besonders Kateri Wolfe, eine Biologin indianischer Herkunft, hat es ihm angetan. Dann passiert das Unvermeidliche: In der Nähe des Sanatoriums wird eine Leiche gefunden. War es Mord? War es ein Bär? Oder... war es der Wendigo?




Wie oben schon erwähnt, ist der Roman gut gemacht. Der Schreibstil ist professionell, das Buch hat (für eine reine E-Book-Publikation keine Selbstverständlichkeit) kaum Rechtschreib- und Grammatikfehler und das Ganze ist, so weit ich es beurteilen kann, sehr gut recherchiert. Dazu der Wendigo, ein in der phantastischen Literatur gern verwendeter Dämon (Blackwood, Masterton, Rick Yancey oder in Deutschland Wolfgang Hohlbein mit „Intruder“), gepaart mit Kannibalismus und einem rücksichtslosen Forscher, das sind alles Ingredienzen, die einen guten Horrorthriller ausmachen können. Trotzdem will in diesem Fall keine wirkliche Spannung aufkommen. Das liegt zum einen daran, dass der ach so tolle Mister Ondragon, der nicht nur verschiedene Sprachen spricht, diverse Kampfsportarten beherrscht und eine Koryphäe im logischen Denken und Erkennen von Zusammenhängen sein soll, sich teilweise so was von dämlich anstellt, das Offensichtliche nicht erkennt und Fehler zweimal macht, die 13-Jährige nicht einmal machen würden. Das alles ist noch gepaart mit einer Überschätzung der eigenen Fähigkeiten und Arroganz gegenüber anderen Personen, die jeden Anflug von Sympathie mit dem Protagonisten im Keim ersticken. Zum anderen kann sich der geübte Thriller-Leser schon nach gut einem Drittel den Rest der Geschichte und die Auflösung zusammenreimen. Es gibt keine wirklich überraschende Wendung mehr und das Ende ist zwar folgerichtig, lässt mich als Leser aber doch irgendwie unbefriedigt zurück.


Fazit: Ein unsympathischer Protagonist und ein vorhersehbarer Plot trüben das Thriller-Vergnügen. Wäre Mr. Ondragon ein Ich-Erzähler, hätte ihn das zwar nicht sympathischer gemacht, aber seine Handlungen und Fehler wären zumindest nachvollziehbarer gewesen. Trotzdem steckt einiges an Potential in der Grundidee der Serie und noch viel mehr in der Autorin. Der Roman ist besser geschrieben als vieles, was in den letzten Jahren zum Beispiel als Regionalkrimi veröffentlicht worden ist und so kann es durchaus sein, dass ich dem bereits erschienenen zweiten Teil der Serie, „Totenernte“, nochmal eine Chance gebe. Auf jeden Fall denke ich, dass man von Anette Strohmeyer noch hören wird.


Anette Strohmeyer: Ondragon - Menschenhunger
Psychothriller GmbH
ca. 408 Seiten
6,99 €
ISBN: 9783942261302 (E-Book)


Links zum Buch:

"Ondragon - Menschenhunger" beim Verlag Psychothriller GmbH
Homepage von Anette Strohmeyer
Homepage der Serie Ondragon
Das E-Book bei Amazon



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