Mittwoch, 6. Januar 2016

Tony Parsons: Mit Zorn sie zu strafen



Tony Parsons ist ein recht konservativer britischer Journalist, der in seiner Heimat einen großen Bekanntheitsgrad erreicht hat. Nicht zuletzt auch durch seine zahlreichen Bücher, die auf der Insel nahezu allesamt Bestsellerstatus erreichten. Er begann spät damit, Kriminalromane zuschreiben. MIT ZORN SIE ZU STRAFEN ist der zweite Roman mit seinem Protagonisten und Ich-Erzähler Max Wolfe, der erste DEIN FINSTERES HERZ (2014)  kam hierzulande recht gut an (u.a Krimi der Woche in DIE WELT).

Wolfe arbeitet im Londoner Morddezernat und hat neben seinen beruflichen Herausforderungen auch mit den privaten Sorgen und Nöten eines alleinerziehenden Vaters einer fünfjährigen Tochter zu kämpfen. Aber dass das Private des Ermittlers eine dem Verbrechen fast ebenbürtige Rolle spielt, ist im gegenwärtigen Kriminalroman fast schon eine Selbstverständlichkeit. 
MIT ZORN SIE ZU STRAFEN beginnt heftig. Im Prolog wird der Leser Zeuge, wie fast eine komplette Familie ausgelöscht wird. Später erfährt man, dass es eine sehr angesehene und finanziell mehr als gut situierte Familie war. Im ersten Kapital wird am Neujahrstag gleich eine Polizistin erschossen, was aber mit der eigentlichen Handlung nichts zu tun hat. Denn es geht schon um die Aufklärung des Mordes an der Familie bzw. um die Entführung des jüngsten Sohnes, den der Killer verschont hatte. Durch die ungewöhnliche Tatwaffe, ein Bolzenschussgerät, gerät ein Ex-Sträfling in den Fokus, der mit der vor Jahren ebenfalls mit einem Bolzenschussgerät eine ähnliche Tat begangen hat und von der Presse damals als der Schlachterbursche getauft wurde, was den Originaltitel THE SLAUGHTER MAN erklärt. Da der Verdächtige auch noch ein “Reisender” (so jedenfalls sagt es die deutsche Übersetzung) ist, nutzt Parsons das gleich zu einem Exkurs in Sachen Political Correctness, in dem er darauf eingeht, dass das Wort Zigeuner aus dem öffentlichen Sprachgebrauch verschwunden ist. Aber er tangiert es nur am Rande und macht daraus keinen Aufhänger, was man ihm zugute halten muss.

Genauso wie man ihm zugute halten muss, dass er keine der von ihm beschriebenen gesellschaftlichen Gruppen bevorzugt. Es gibt sowohl unter den “Reisenden” als auch bei den Oberen Zehntausend mehr oder weniger sympathische Figuren und echte Arschlöcher. Die Krimihandlung an sich ist guter Durchschnitt. Man kann sich zwar relativ schnell einen Reim darauf machen, wie es ausgeht, trotzdem hat Parsons noch ein, zwei Überraschungsmomente einbauen können und geschrieben ist das Buch so, dass man es gerne liest. Der Ich-Erzähler palavert nicht groß herum und hat eine direkte, aber keineswegs beleidigende Sprache.

Trotzdem ist der Protagonist auch das große Manko des Buches. Max Wolfe ist mir einfach too much. Er ist zu sehr der Superbulle, der sich nicht von Verletzungen aufhalten lässt und auch aus der extremsten Situation - zwar nicht immer gänzlich unbeschadet, letztlich jedoch immer heil - herauskommt. Dazu ist er noch der Superdaddy - auch wenn er selbst manchmal an seinen diesbezüglichen Fähigkeiten zweifelt und kommt auch sonst mit fast allen relativ gut klar. Dazu besitzt er trotzdem noch die Fähigkeit zur kritischen Selbstreflexion. Kurzum: Der Typ ging mir echt auf den Sack.

Dennoch habe ich es nicht bereut, diesen Roman gelesen zu haben. Der lakonische Tonfall, das gesunde Maß an Härte und die kritischen Zustandsbeschreibungen der (britischen) Gesellschaft machen das Buch lesenswert.


Tony Parsons: Mit Zorn sie zu strafen
Originaltitel: THE SLAUGHTER MAN
Lübbe 2015
Übersetzt von Dietmar Schmidt

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