Montag, 18. Januar 2016

Prinzessin Mononoke


TITANIC und HEIDI, das sind die meistgenannten Referenzen, die man findet, wenn man deutschsprachige Texte zu Hayao Miyazakis japanischen Animationsfilm PRINZESSIN MONONOKE (OT: MONONOKE-HIME) liest. TITANIC deshalb, weil der Film bei seinem Erscheinen in Japan sämtliche Einspielrekorde brach und damit erfolgreicher war, als Camerons Blockbuster, der ebenfalls 1997 in die Kinos kam. Und HEIDI weil die Fernsehserie aus den 70er Jahren in Deutschland bis zu jenem Zeitpunkt das wohl mit Abstand bekannteste Werk Miyazakis war.

PRINZESSIN MONONOKE kam erst im April 2001 regulär in die deutschen Kinos und das auch nur mit 35 Kopien. Ein Beweis dafür, dass - damals noch mehr als heute - der Animationsfilm hierzulande als reiner Kinderfilm gesehen wird. Ein solcher Film, der sich an ein erwachseneres Publikum wendet, wird von vorneherein als chancenlos angesehen, noch dazu wenn er vom japanischen HEIDI-Macher kommt. Das besserte sich etwas mit Miyazakis MONONOKE-Nachfolger CHIHIROS REISE INS ZAUBERLAND, mit dem er bei der Berlinale 2002 den Goldenen Bären und später den Oscar für den besten animierten Spielfilm 2003 gewann.
Kurz zum Inhalt: Der Film spielt zu einer schwer einzuordnenden Zeit. Prinz Ashitaka wird von einem Dämon in Wildschweingestalt verletzt und macht sich auf dem Weg zu einem Waldgott, der die krebsartige Krankheit heilen könnte. Dort trifft er dann auf PRINZESSIN MONONOKE, die von Wölfen aufgezogen wurde und an der Seite der Tiere gegen die Menschen aus der am Waldrand liegenden Stadt kämpft, deren Herrscherin Eboshi den Wald und somit den Lebensraum der Tiere (und Tiergötter) zerstören will, um ihren Einflussbereich zu vergrößern. So weit, so knapp.

Das hört sich nun nach einer politisch korrekten Öko-Fabel an und natürlich ist der Film das auch bis zu einem gewissen Punkt. Die Botschaft, dass der Mensch die Natur gefälligst zu achten hat und nicht unbedingt alles nach seinem Gutdünken unter Gesichtspunkten materiellen Profits verändern sollte, ist klar erkennbar. Trotzdem sind die beiden Gegenspielerinnen nicht schwarz und weiß gezeichnet. Prinzessin Mononoke taugt in ihrem blinden Hass auf alles Menschliche nicht unbedingt als Sympathieträgerin und die “Waldzerstörerin” Eboshi hilft den Gestrandeten der Gesellschaft(Prostituierten, Leprakranken) aufopferungsvoll in ihrer Stadt. Rüdiger Suchsland drückt das in seiner Besprechung für artechock so aus: “Im Kontext der ökolo­gi­schen Correct­ness der rest­li­chen Handlung verwei­gert sich der Film hierdurch aber einer allzu schlichten konser­va­tiven Lesart, plura­li­siert Wahr­heits­an­sprüche, und zeigt, dass es mehr gibt, als nur eine positive Utopie: Die Unberührt­heit der Natur oder den Fort­schritt der tech­ni­schen Zivi­li­sa­tion. Damit reprä­sen­tiert die Geschichte nicht nur einen Zwiespalt, mit dem die zeit­genös­si­sche japa­ni­sche Gesell­schaft zu kämpfen hat, sondern – seinem eigenen epischen Anspruch entspre­chend – überhaupt das Dilemma des modernen Menschen.” (http://www.artechock.de/film/text/kritik/p/prmono.htm). Im Buch “Filmgenres: Animationsfilm” (Reclam, 2007, S. 260 - 264) schreibt Jörg C. Kachel in seinem Artikel zu Prinzessin Mononoke fast wortwörtlich dasselbe. Wer sich da vom wem inspierieren lassen hat, mag ich jetzt nicht beurteilen.

Sowohl Kachel als auch Suchsland ziehen Parallelen zwischen Heidi und Prinz Ashitaki, die mir zugegebenermaßen beim Sehen des Films so nicht aufgefallen sind, denen ich mich aber bei näherer Betrachtung anschließen kann. “Sowohl Johanna Spyris Alpenmädel Heidi als auch Prinz Ashikati sind hybride Heldenfiguren, die eine entscheidende Vermittlerrolle einnehmen zwischen Kultur und Zivilisation einerseits und der Natur andererseits.” (Filmgenres: Animationsfilm, Reclam, 2007, S. 263). So schließt sich dann der Kreis von Miyazakis Frühwerk zu PRINZESSIN MONONOKE und zu dem Hauptanliegen seiner Filme überhaupt, das Jörg Gerle in seiner Film-Dienst-Rezension zu PRINZESSIN MONONOKE wie folgt beschreibt: “Seine zwischen Märchen- und realer Welt angesiedelten Filme zeichnen sich durch überbordende Fantasie und handwerkliche Perfektion aus und vermitteln Kindern wie Erwachsenen die zutiefst humanistische Botschaft, dass nur ein friedliches Zusammenleben aller Wesen das Überleben der menschlichen Rasse sichern kann. Dabei variieren die Genres von Science-Fiction über den Abenteuerfilm bis hin zum Dramatischen.” (FILM-DIENST, 8/2001).

Für mich jedenfalls zählt PRINZESSIN MONONOKE zu einem der epischen Meisterwerke der (Animations-)Filmkunst überhaupt. Sowohl, was die Qualität der über 140.000 Einzelbilder (von denen Miyazaki für 80.000 persönlich verantwortlich gewesen sein soll, so berichten es jedenfalls mehrere Quellen) betrifft, als auch, was die Qualität der erzählten Geschichte betrifft. Ein berührender und nachdenklich stimmender Film, und beileibe kein Kinderfilm, auch wenn Miyazaki selbst in einem Interview gesagt hat: “Ich denke, dass Kinder mit Gewalt besser umgehen können als Erwachsene es oft glauben. Angst und Schrecken gehören ebenso wie Freude und Trauer zur Erlebniswelt eines Kindes. Wenn man angeregt wird, mit diesen Emotionen umzugehen, in einer Geschichte, die all diese Elemente gewichtet, dann wird man als Betrachter sicherlich kein Schaden nehmen.“  

PRINZESSIN MONONOKE
MONONOKE HIME
Japan 1987
Regie: Hayao Miyazaki
Produktion: Yasuyoshi Tokuma
Buch: Hayao Miyazaki
Kamera: Atsushi Okui
Musik: Joe Hisaishi


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