Montag, 21. April 2014

Roger Smith: Stiller Tod


STILLER TOD ist der vierte Roman des Südafrikaners Roger Smith. Er ist nun erstmals im Taschenbuch bei Heyne Hardcore erschienen, nachdem die deutsche Erstausgabe 2012 im Tropen Verlag erschienen ist.  Sein Erstling KAP DER FINSTERNIS  belegte den zweiten Platz beim Deutschen Krimipreis 2009 in der Kategorie International und war nach dem Urteil der Jury der KrimiWelt Bestenliste der beste Kriminalroman eben diesen Jahres. Außerdem veröffentlicht er unter dem Pseudonym Max Wilde auch Horrorromane.

STILLER TOD spielt in Kapstadt. Es beginnt in einer Exklave der Reichen und Schönen. Sunny, die Tochter von Nick und Catherine Exley, ertrinkt an ihrem vierten Geburtstag während ihre Mutter sich mit ihrem Liebhaber in der Küche vergnügt und ihr Vater mit einem Nachbar einen Joint durchzieht. Vernon Saul, ein ehemaliger Cop und jetziger Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes beobachtet alles, kommt aber zu spät, um das Kind noch zu retten. Er, der Schwarze aus den Slums, bietet aber Nick Exley seine Hilfe an und scheint ihm in dieser schweren Stunde einige Aufgaben abzunehmen. Schnell wird klar, dass Vernon Saul alles andere als ein selbstloser Samariter ist. Er ist jemand, der gerne Macht ausübt. Und die Macht, die über eine alleinerziehende Stripperin aus dem Kapstädter Armenviertel hat, reicht ihm nicht mehr. Er sieht seine Chance, auch einmal  über einen – in seinen Augen – reichen Schnösel  Macht zu haben. Und als ein Verbrechen geschieht, glaubt er sich seinem Ziel nahe.
Bei manchen Titeln fragt man sich, warum der Heyne Verlag sie unter dem Label Hardcore laufen lässt. Bei diesem hier tut man es von Anfang an nicht. Obwohl sich der Roman beileibe nicht mit expliziten Gewalt- oder Sexdarstellungen hervortut.  Aber das, was hier erzählt wird, ist so heftig, dass einem schon jegliche Empathie fehlen muss, damit es einem nicht nahe geht. Wie zu Beginn die kleine Sunny stirbt und wie der Versuch der Eltern dargestellt wird, mit dem Verlust fertig zu werden – beide auf ihre eingene Art – oder wie die Beziehung (oder Nicht-Beziehung) von Caroline und Nick Exley gezeigt wird, das ist auf eine spezielle Art und Weise Hardcore. Und Smith schafft es, das so zu vermitteln, dass man sich als Leser wie ein Voyeur fühlt, der etwas sieht, was er eigentlich nicht sehen möchte.

Aber mit der Darstellung dieses unvorstellbaren Verlustes und dem Umgang damit hört es nicht auf. Vernon Sauls Vorgeschichte und sein Auftreten anderen -  ihm auch nahe stehenden Personen – gegenüber sind nur schwer zu ertragen; ebenso die Lebensverhältnisse der Stripperin Dawn, die trotz ihrer prekären Situation, alles versucht, um ihre Tochter einigermaßen behütet aufwachsen zu lassen und dabei auch vor nichts zurückschreckt. Die einzig unschuldigen Wesen sind die Kinder.

Dieses wird von Smith so realistisch beschrieben, dass man glaubt hautnah dabei zu sein. Ich hab mir das ein ums andere Mal gewünscht, die erwartete Handlung auf irgendeine Art zu verändern, um dem ganzen eine etwas positivere Note zu geben. Aber wahrscheinlich ist die Realität in Kapstadt eher so wie Smith sie beschreibt und nicht so, wie ein deutscher Leser sie in seinem Sessel gerne hätte. Einmal war ich kurz davor die Lektüre abzubrechen, weil ich nicht das lesen wollte, was ich als nächstes erwartete. Und das ist mir bisher selten bis nie passiert. Ich kann mich jedenfalls nicht bewusst an eine ähnliche Situation erinnern.


Smith zieht seinen realistisch-negativen Stiefel fast bis zum Ende durch. Zum Schluss lässt er sich doch noch erweichen. Das macht das Buch zwar ein wenig erträglicher, aber wahrscheinlich hätte es sich noch mehr ins Gedächtnis hineingebrannt, wenn es anders verlaufen wäre. Sei es drum: STILLER TOD ist ein heftiger Thriller, der dem Leser alles abverlangt und mal wieder ein Roman, der mir gezeigt hat, warum ich so gerne Phantastik lese. Der Horror der (fiktiven) Realität kann um einiges schlimmer sein als jeder von vorneherein als  fiktiv gekennzeichneter Horror.

Roger Smith: Stiller Tod 
Thriller
Erstmals im Taschenbuch
Titel der Originalausgabe: CAPTURE (2012)
Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
Heyne Hardcore, März 2014
384 Seiten
8,99 € (Taschenbuch)
ISBN: 978-3453676558
auch als E-Book (7,99 €) erhältlich

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