Jeder, der schon mal ein (deutsches) Buch von Dan Simmons in
den Händen hielt, kennt bestimmt Stephen Kings Blurb über ihn: „Dan Simmons
schreibt wie ein Gott.“ Nun, ich weiß leider nicht, wie ein Gott schreibt, aber
wenn Stephen King meint, dass Simmons es auf einzigartige Weise schafft, neue Welten
zu erschaffen, dann hat er Recht. Das zusammenhängende Mammutwerk DIE HYPERION
GESÄNGE und ENDYMION ist die durchdachte Erschaffung einer zukünftigen Welt und
in meinen Augen ein modernes Meisterwerk der Literatur und zwar nicht nur der
Science-Fiction-Literatur.
Obwohl es schon etwas länger her, dass ich DIE HYPERION GESÄNGE
gelesen habe, sind mir die beiden Bände – im Gegensatz zu vielen
anderen – noch sehr gut im Gedächtnis haften geblieben. Falls ich irgendwann mal eine Top Ten der von
mir gelesenen Büchern erstellen sollte, gehören DIE HYPERION GESÄNGE dazu. Und
nun, da ich die Fortsetzung gelesen habe, weiß ich, dass die gesamte Saga in
diese Reihe gehört.
Klar ist es von Vorteil DIE HYPERION GESÄNGE zu kennen, denn
vieles baut auf der Handlung der beiden Teile auf, obwohl ENDYMION 270 Jahre
nach dem Ende der Gesänge spielt. Aenea, die 12-jährige Tochter von Brawne
Lamia und des John-Keats-Cybrids aus den ersten beiden Büchern kommt durch ein
Zeitgrab aus der Vergangenheit nach Hyperion, wo neben feindlich gesinnten Soldaten
auch Raul Endymion auf sie wartet. Sie ist „Diejenige die lehrt“ eine Art
Prophetin, deren Ankunft vorhergesagt wurde und die die bestehende Welt
verändern wird. Raul Endymion wurde von Martin Silenus (dem Autor der Cantos,
die die Geschehnisse der ersten beiden Bücher beschreiben) beauftragt auf sie
aufzupassen und das bestehende System, den Pax, zu stürzen. Der Pax ist eine
Fortführung der katholischen Kirche, mit Papst und Vatikan usw. Nur dass es
zwei neue Sakramente gibt. Das Annehmen der Kruziform und die damit verbundene
körperliche Wiederauferstehung nach dem Ableben. Der Pax versucht mit allen
Mitteln Aenea in seine Gewalt zu bekommen. Aber sie schafft es zu fliehen,
unter anderem unter Mithilfe des Shrikes, das noch aus HYPERION bekannt ist.
Es ist schwierig bis unmöglich den Inhalt von 1400 Seiten
auf ein paar Zeilen herunterzubrechen und der kleine Absatz zuvor ist nicht mehr als ein marginaler
Abriss der Handlung. Aber mehr muss auch
nicht sein. ENDYMION lebt von der erzählerisch-schöpferischen Kraft, die aus
jeder Seite quasi herausspringt. Das erste Buch ist eine Abenteuergeschichte. Die
drei Helden, neben Aenea und Endymion gehört noch der Android Bettik dazu,
fahren auf einem Floß über einen Fluss der durch das sogenannte Farcasten über
mehrere Welten (Planeten) fließt. Und ihre Häscher sind ihnen auf den Fersen. Das
ist natürlich eine eindeutige Remineszenz an Mark Twain. Das wird besonders
deutlich als im zweiten Buch die Städte Hannibal und St. Petersburg eine kleine aber nicht unwesentliche Rolle spielen.
Im zweiten Buch wird es dann Philosophisch-Theologischer.
Simmons versucht Aeneas Lehren zu erklären. Die im Gegensatz zum pervertierten
Christentum des Pax‘ auf Menschlichkeit beruht und Anleihen beim Buddhismus
nimmt. (Nicht umsonst spielt auch der Dalai Lama eine Rolle). Nun kann ich mir
vorstellen, dass diese Ausflüge in die Philosophie auf viele Leser, die auf
vordergründige Action aus sind, eher verschreckend wirken. Aber für mich sind sie das Salz in der Suppe.
Das, was aus einem guten Roman, einen bemerkenswerten Roman macht.
Dazu kommt auch, dass Simmons Anleihen quer durch die
Kultur- und Literaturgeschichte macht. Ich bin mir sicher, dass mir nur ein
Bruchteil aufgefallen ist. Mark Twain, ist klar, die griechische Mythologie ist
offensichtlich (Endymion war der Geliebte des Mondgöttin Selena, Aeneas ist aus Troja aufgebrochen, um an neuen
Ufern neu zu beginnen). Natürlich ist ENDYMION wie auch schon HYPERION auch der
Titel eines Versepos von John Keats und auch der Architekt Frank Lloyd Wright
hat einen Auftritt in dem Buch. Das sind nur einige der Anspielungen, die
besonders ins Auge stechen.
Dan Simmons beschreibt ausführlich. Vielen mag das zu
ausschweifend sein. Mir gefällt es. Vor meinem geistigen Auge entstehen so die erdachten
Welten und die Abenteuer, die die Helden erleben. Das zieht mich so in den Bann,
dass ich mich auf den kompletten 1405 Seiten selten bis nie auch nur
ansatzweise gelangweilt habe. Und das ist etwas, was vielen wesentlich kürzeren
Büchern nicht gelingt.
Und da ich es nicht schaffe, meine Begeisterung für dieses
Werk in noch mehr Worte zu fassen, höre ich jetzt auf. Und zwar mit dem Appell
unbedingt die Bücher HYPERION und ENDYMION zu lesen, auch wenn man nichts mit
Science Fiction am Hut hat. Es lohnt sich. Man wird gut unterhalten und ist
nach der Lektüre klüger als vorher.
Fazit: Meilenstein der Science-Fiction-Literatur und Pflichtlektüre
für jeden Genreanhänger.
Roman
Titel der amerikanischen Originalausgaben: ENDYMION; THE RISE OF ENDYMION (1996,1997)
Deutsche Übersetzung von Joachim Körber
Heyne, Februar 2014
1405 Seiten
21,99 € (Taschenbuch)
ISBN: 978-3453315174Die beiden Bücher sind auch schon einzeln erschienen (Endymion - Pforten der Zeit; 1997/Endymion - Die Auferstehung; 1999) und auch schon zusammen (2003), jeweils bei Blanvalet.
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