Öfter mal was neues. Ein Drama habe ich hier auch noch nie
besprochen. Das liegt natürlich hauptsächlich daran, dass ich nicht so oft
Dramen lese. Aber wenn der österreichische Autor Thomas Fröhlich eine
Kurzgeschichte eines anderen, von mir sehr geschätzten, österreichischen
Autors, Andreas Gruber, für die Bühne adaptiert, dann ist das für mich schon mehr
als nur einen Blick wert.
Besagte Kurzgeschichte trägt den Titel „Glauben Sie mir,
mein Name ist Dr. Watson!“ und ist 2006 in der von Alisha Bionda
herausgegebenen Anthologie DAS GEHEIMNIS DES GEIGERS im Blitz Verlag
erschienen. Fröhlich hat aus den Motiven
dieser Story einen klassischen Dreiakter
gemacht, der bei Evolver Books erschienen ist.
Im ersten Akt verschwinden während einer Vorstellung des Illusionisten
Nyarlathotep im Beisein von Sherlock Holmes und Dr. Watson drei Personen: Mina
Harker, Humphrey van Weyden und Edwin Drood. Holmes ist also mitten in einem neuen Fall. Im weiteren Verlauf tauchen die Verschwundenen
zwar wieder auf, aber nicht unbedingt als die Personen, als die sie
verschwunden sind.
Vielen werden die Namen der drei Personen etwas sagen. Mina
Harker ist die weibliche Hauptperson in Bram Stokers „DRACULA“, van Weyden ist
der Erzähler in DER SEEWOLF von Jack London und Drood ist eine
Dickens-Figur. Dazu kommt, dass Holmes,Watson
und weiteres von Doyle bekanntes Personal auch literarische, also erfundene
Personen sind. Auch der Illusionist
trägt den Namen einer literarischen Figur, und zwar aus dem
Lovecraft-Universum. Diese und weitere Andeutungen an Klassiker der Kriminal-
und Schauerliteratur machen die Lektüre zu einem Vergnügen für denjenigen, der
einige der Anspielungen erkennt. (Für
diejenigen, die es nicht so mit der Geschichte der Genreliteratur haben, ist
ein recht gutes Glossar im Anschluss an den Dreiakter zu finden).
Das erfundene literarische Personal und das Wort Illusion
schon im Titel stellen klar, worum es in dem Stück geht. Um das Spiel von Illusion
und Wirklichkeit. Dem Leser (oder dem Zuschauer) wird recht bald klar, worauf
die Geschichte hinausläuft. Wo hört die Realität auf und wo beginnt die
Illusion? Was ist Realität und was ist Illusion? Das sind die Fragen, die das
Stück aufwirft. Das sorgt zusammen mit
den literarischen Anspielungen schon für ein paar interessante Lesemomente.
Aber als Kriminalstück verliert SHERLOCK HOLMES UND DAS
GEHEIMNIS DES ILLUSIONISTEN. Zu einem Kriminalstück mit dem Meisterdetektiv
schlechthin in der Titelrolle sollte schon ein bisschen Spannung und etwas
logische Knobelei dazu gehören. Das sucht man hier aber vergebens. Es scheint
fast so, als ob Thomas Fröhlich beim Spiel um literarische Andeutungen die eigentliche
Kriminalhandlung aus den Augen verloren hat. Das ist schade. Denn sonst hätte
aus einem ordentlichen Krimi-Drama ein sehr gutes werden können.
Im Nachwort lässt Andreas Gruber seine Begegnungen mit
Thomas Fröhlich und Sherlock Holmes Revue passieren. Das ist nett zu lesen,
bringt aber keinen wirklich größeren Mehrwert
und wirkt etwas wie ein Seitenfüller.
Wie das Ganze auf der Bühne wirkt, kann man sich übrigens
auf Youtube ansehen (Link unten). Dort findet man nämlich eine Aufführung des
Stücks vom Theater perpetuum aus St. Pölten, wo es im März 2013 uraufgeführt wurde.
Thomas Fröhlich: Sherlock Holmes und das Geheimnis des Illusionisten
Ein Theaterstück
Evolver Books, Februar 2013
122 Seiten
12,00 € (Taschenbuch)
ISBN: 978-3950255867(auch als E-Book erhältlich: 7,99 €)
"Sherlock Holmes und das Geheimnis des Illusionisten" bei Amazon
"Sherlock Holmes und das Geheimnis des Illusionisten" bei Evolver
Aufzeichnung einer Aufführung des Stücks vom Theater perpetuum in St. Pölten im März 2013 (youtube)
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