Dienstag, 22. Oktober 2013

Fred Ink: Wurmstichig


Fred Ink versucht sich mit diesem kurzen Roman an etwas, an dem schon viele vor ihm gescheitert sind. Er versucht eine Stimmung zu erzeugen zu erzeugen, wie sie H.P. Lovecraft in vielen seiner Werke erzeugt hat. Er gibt auch im Vorwort zu, dass diese Geschichte eine Hommage an Lovecraft ist und er mit Anspielungen an Lovecrafts Werk nicht geizt. Die herausragendste Anspielung ist dabei der Name des Protagonisten: Erich Zann.  Der ganze Roman ist ein Monolog Zanns, er erläutert einem Psychiater die Geschehnisse der letzten Zeit. Was grundsätzlich anders ist als in Lovecrafts Erzählungen ist der Handlungsort. Auf den ersten Blick scheint die Schwäbische Alb nicht unbedingt für eine Cthulhu-Geschichte geeignet zu sein, aber wenn man etwas länger darüber nachdenkt, erschließt sich vielleicht, dass die Bewohner eines einsam gelegenen schwäbischen Bergdorfes vermutlich mehr Gemeinsamkeiten mit den Bewohnern eines einsam gelegenen Fischerortes an der Küste von Essex County haben, als man von vorneherein denken kann.

Kurz zum Inhalt: Erich Zann, erfolgreicher Vertreter für Tierfutter, trifft in besagtem Dorf auf der Schwäbischen Alb, auf äußerst abnahmefreudige Kundschaft. Doch die Bewohner des Örtchens sind ihm von Anfang an suspekt, zumal er dort noch nie irgendwelche Tiere bemerkt hat. Ganz entgegen seiner Art wird er neugierig und findet heraus, dass in der Gegend rund um das Dorf dann und wann auf unerklärbare Weise Menschen verschwinden. Und obwohl er es gar nicht wirklich will, wird er in einen Strudel hinein gesogen, der ihn immer tiefer in das ominöse Geschehen hineintreibt. Er lernt jemanden kennen (Dr. Faiß), der ebenfalls an der Geschichte des Ortes interessiert ist, der ihn mehr oder weniger warnt, die Finger von dem Dorf und seinen Bewohnern zu lassen, im Grunde aber froh ist, jemanden gefunden zu haben, der seinen abstrusen Verdächtigungen endlich Glauben schenkt. Und so landet Zann irgendwann in dem Dorf und der Titel des Buches erschließt sich dem Leser nach und nach immer mehr.
Ich begann diesen Teil der Rezension mit der Bemerkung, dass schon viele Autoren bei dem Versuch einer Lovecraft-Hommage gescheitert sind. Fred Ink ist es nicht. Er hat es geschafft, ein Lovecraft-typische Szenario zu schaffen. Den Schrecken und den Wahnsinn den Zann erlebt, erfährt man als Leser genau. Und das ohne irgendwelche Splatter- oder Gewaltorgien. Der Grusel kommt – wie beim großen Vorbild – über die immer dichter werdende unheimliche Atmosphäre, die der Monolog Zanns bekommt.

Die Sprache, die Ink dabei benutzt, ist altmodisch. Gewollt altmodisch. Zann erwähnt recht früh, dass er sich gerne gewählt ausdrückt. Es gelingt Ink zwar nicht zu hundert Prozent diesen Stil durchzuziehen, einige Mal verlässt er den altmodischen Pfad (und ich meine jetzt nicht die Zeitungsausschnite und Dr Faiß' E-Mails, die im übrigen für einen erzählten Monolog etwas zu genau wiedergegeben sind) . Aber trotzdem merkt man, dass Ink es versteht, den Ton so zu treffen, wie er ihn treffen will. Das können nicht viele. Trotzdem muss ich an diesem Punkt auch meinen Kritikpunkt ansetzen. Warum muss der Protagonist erklären, dass er sich gerne so ausdrückt, wie er sich ausdrückt? Soll das eine Entschuldigung für den etwas manieriert wirkenden Stil sein. Und wenn ja, warum?   Wenn er so spricht, dann spricht er so. Da braucht es keine Erklärung. 

Mein Problem mit der Sprache ist aber ein anderes: Wir haben 2013. Muss man da als Autor wirklich versuchen, in einer vor 100 Jahren schon fast altmodischen Art zu schreiben? Kann man nicht versuchen, die Atmosphäre, die man erzeugen will, mit der Sprache des 21. Jahrhunderts zu erzeugen? Ich denke, man kann. Und ich denke vor allem, dass Fred Ink es kann. Ich hoffe sehr, dass er in seinen nächsten literarischen Versuchen im Horrorgenre wieder mehrdazu übergeht, seinen eigenen Stil zu präsentieren und sich von dem Lovecrafts löst. Er ist ja auf einem guten Weg. DAS GRAUEN IN DEN BERGEN spielte noch 1927 in Neuengland. Jetzt ist er schon in der Gegenwart der Schwäbischen Alb angekommen. Wenn er die Atmosphäre, die er in diesem Buch erzeugt, so mit einem eigenen Stil erzeugt, könnte daraus etwas verdammt Gutes entstehen.

Nicht, dass man mich jetzt falsch versteht: auch WURMSTICHIG ist gut, sogar nahe dran an sehr gut, und ich kann diesen Roman mit besten Gewissen empfehlen. Jeder, der glaubt, dass in Deutschland keine guten Horrorgeschichten spielen können, wird von diesem Roman eines besseren belehrt. Trotzdem fehlt mir (ich weiß, ich bin zugegebenermaßen sehr kritisch) etwas die eigene Note.


Fazit: Gelungenes Lovecraft-Pastiche, das die Schwäbische Alb auf die Landkarte des Horrors bringt. 

Fred Ink: Wurmstichig
Covergestaltung: Jenny Merz
Create Space Independent Publishing Platform, Mai 2013
152 Seiten
6,95 €
ISBN: 978-1484083956
auch als E-Book erhältlich: 2,99 €

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