Hamburg Horror Noir ist das Label
unter dem Christian Sidjani seine Bücher vermarktet. Und wie es der Name
nahelegt, spielt Hamburg eine große Rolle in seinen Werken. So auch in diesem kleinen Band mit dem Untertitel
„Schauernovelle“. Und dieser Untertitel
gibt auch schon die Gangart des Buches vor. Was den Leser erwartet ist kein Actionreißer
oder auf vordergründige Effekt setzender Horrorthriller, sondern eher subtiler
Grusel. Was ist Realität, was ist Fiktion und was ist die Grenze zwischen
Realität und Fiktion. Diese Fragen wirft die Novelle auf.
Denn der Protagonist und
Ich-Erzähler ist neben einer Tätigkeit als Kinomitarbeiter auch ein Autor. Und
er schreibt über einen Kinomitarbeiter, der genau wie er in einem Multiplexkino
im Hamburger Mundsburg-Zentrum arbeitet. Und beide, Autor und seine Figur,
finden eine Münze, ein Unterschied ist aber, dass der erfundene Michael noch
eine zweite Münze bekommt. Und diese amerikanischen Münzen aus dem Jahr 1973
scheinen ein Geheimnis zu verbergen, genau wie Stillmann, ein ominöser Fremder,
der dem Protagonisten auf dem täglichen Weg zur Arbeit über den Weg läuft.
Wie schon erwähnt, die Geschichte
wirft Fragen auf. Aber Antworten erhält man nicht. Wer es gerne eindeutig mag,
sollte sich erst gar nicht an der Geschichte versuchen. Wer aber mal über das
Gelesene hinaus reflektieren will, dem sei diese Novelle ans Herz gelegt.
„Während ich die letzten Zeilen schrieb, bemerkte ich einen Widerspruch. Es heißt, je mehr Widersprüche ein Mensch nach außen zeigt oder in sich trägt, desto unsicherer ist er in seinem Leben. Weil er sich einfach nicht entscheiden kann. Sagte ich eben, dass ich unbedingt als Inventar gelten wollte, so bestehe ich nun darauf, dass ich für die Kunden ein eigenständiger Mensch bin. Ich möchte mich also als Inventar fühlen, aber nicht durch die Augen anderer. Und das ist der Widersprüche Anfang. Warum wohl lass ich die Münze entscheiden, seit ich sie fand?“
Die Sprache, die Sidjani benutzt,
wirkt teilweise schon zu ausgefeilt. An seinem Stil gibt es nichts auszusetzen,
außer, dass es nichts auszusetzen gibt. Dadurch wirkt das Erzählte gelegentlich
zu steril, sodass die Intention einer Schauernovelle, nämlich Schauer zu
erzeugen, nicht ganz erreicht wird, da man den Figuren zwar beim Handeln
zusieht, aber gar nicht in sie hinein blickt. Und das obwohl der Ich-Erzähler
sein Innenleben ausgiebig offenbart.
Die Szenen, die der Erzähler als
sein Erfindung ausgibt, unterscheiden sich in erster Linie an der wechselnden
Erzählperspektive. Wenn vom erfundenen Michael
die Rede ist, wechselt die Geschichte in die 3. Person. Sonst
unterscheiden sich Erzähler und Figur nur in marginalen Dingen. Die von der
erfundenen Person erfundene Person reflektiert also die vom Autor Sidjani
erfundene Person, die vielleicht (?) den Autor reflektiert. Diese Konstellation macht das Buch
anspruchsvoll und die vordergründige Spannung bleibt manchmal auf der Strecke.
Aber wenn man sich als Leser ein bisschen anstrengt und das Gelesene selbst
reflektiert, kann das spannender werden, als die spannendste Kriminalhandlung.
Das aber doch noch ein gewisser Schauer oder Grusel erzeugt wird, hat mit der Handlung zu tun. Oder vielmehr mit den Verbindungen, die die Münzen, das Jahr 1973 und weitere Ereignisse zu haben scheinen. Eine Art Verschwörungstheorie wird angerissen, die vielleicht noch irgendwann erklärt wird, denn ein weiterer Subtitel der Novelle ist „Mundsburg Trilogie I“. Das lässt auf zwei weitere Novellen hoffen, die vielleicht auch mal Antworten geben. Das wäre dann wieder etwas für Leser, die es eindeutig mögen. Wegen mir könnten auch noch weitere Fragen offen gelassen werden. Man muss ja nicht immer alles gleich verstehen.
Christian Sidjani: Stillmanns Münzen
Create Space Independent Pubkishing Platform, Mai 2013
100 Seiten
4,99 €
ISBN: 978-1484083956auch als E-Book erhältlich: 2,99 €
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