Das
österreichische Satirekollektiv Hydra hat sich in den letzten Jahren immer mal
wieder ein Genre vorgenommen und dieses dann durch den Kakao gezogen. Da ist
zum einen das Buch SEX MIT 45 zu nennen, dessen Cover-Layout schon unverkennbar
zeigt, was hier auf die Schippe genommen werden soll. Es sieht nämlich aus wie
ein Liebesheftroman in Bastei-Optik, wie man sie heute noch zuhauf in
Supermarktzeitschriftenregalen finden kann. (Im Gegensatz zu Horrorheftromanen
übrigens. Außer ab und an dem aktuellen Sinclair ist dort nix mehr zu finden).
Eine andere Persiflage ist KRITIK DES SCHIMPFENS aus dem Jahr 2011. Dessen
Optik erinnert stark an die der UTB-Taschenbücher. Jeder, der sich mal an einem
Studium versucht hat, wird die UTB-Bücher und auch deren spezielle Art kennen.
Nachdem
also Liebesschmonzette und Wissenschaft abgehakt sind, versucht sich das
Hydra-Team in diesem Jahr also am Horror-Genre, spezieller ausgedrückt dem
Zombie-Buch. Eine Mode der letzten Jahre war es ja Klassiker (was auch immer man
darunter verstehen mag) mit Zombies zu kreuzen. Titel wie STOLZ UND VORURTEI
UND ZOMBIES oder DIE LEICHEN DES JUNGEN WERTHER zählen wohl zu den bekanntesten
dieses Sub-Sub-Genres. Die Hydranten nahmen sich jetzt einige der bekanntesten
österreichischen Autoren der letzten hundert Jahre zur Brust und verzombiefizierten
in dem kleinen Band HOLZFÄLLEN UND NIEDERMETZELN sechs ihrer Erzählungen bzw.
Gedichte.
Die erste
und titelgebende Geschichte ist zugleich auch die längste und macht ca. zwei
Drittel des Buches aus. Curt Cuisine nimmt hier Thomas Bernhards Abrechnung mit
der Wiener Gesellschaft aus den 1980er Jahren, transportiert sie in die Gegenwart
und macht aus den Wienern Zombies. Da ich zwar HOLZFÄLLEN von Thomas Bernhard
nicht kenne, aber einige andere seiner Werke und mit seinem Stil einigermaßen vertraut
bin (außerdem mag ich den Bernhardschen Stil), muss ich als erstes
anerkennen, dass Cuisine den Tonfall Thomas Bernhards gut trifft. Und es ist, wie er im Nachwort selbst schreibt, auch ein dankbarer Tonfall für einen
Zombieroman. Der Ich-Erzähler sitzt in der Ecke, schaut dem Treiben der
Zombie-Gesellschaft zu und grantelt rum, über die Zombies, die Vampire und
überhaupt alles und jeden. Das macht Spaß und der Splatter kommt auch nicht zu
kurz. Leider kenne ich mich nicht so gut in den Begebenheiten österreichischer
Politik und Kultur aus, um alle Anspielungen, derer es in dieser Geschichte
sehr viele gibt, zu erkennen und zu verstehen.
Die
weiteren vier Erzählungen sind erheblich kürzer. Jürgen Miedl macht aus Arthur
Schnitzlers LEUTNANT GUSTL „Leutnant Grusel“. Nach einem Konzertbesuch („666
Variationen zu einem Thema aus Peter Jacksons Requiem Bad Taste in a-Moll“) sieht
sich der Held einigen Zombies gegenüber. Das alles ist wie auch in LEUTNANT
GUSTL als innerer Monolog verfasst. Auch hier überrascht es, wie gut sich die Originalgeschichte
zu einer Zombiegeschichte umwandeln lässt. Und wie Jürgen Miedl auch bis zum Ende
hin den inneren Monolog aufrecht hält ist unterhaltsam zu lesen.
In „Die
Verwesung“ erwacht Gregor Samsa nicht als Käfer wie in Kafkas DIE VERWANDLUNG,
sondern natürlich als Zombie. Konrad J. Gregor hat Kafkas Geschichte nicht nur
thematisch etwas abgeändert. Sie spielt auch in unserer Gegenwart. Gregor Samsa
wird auch durch die medialen Einflüsse unserer Zeit zum Zombie und es gibt
somit gleich ein wenig Gesellschfafts- und Medienkritik nebenbei. Ansonsten ist
DIE VERWANDLUNG natürlich eine grandiose Vorlage und Konrad J. Gregor macht
daraus auch eine nette kurze Zombiestory.
RADETZKYMARSCH
von Joseph Roth war Vorbild für Gregor Fröhlichs gleichnamige kurze Geschichte.
Leutnant Trotta vom kaiserlichen Vampirjägerregiment und seine Einheit haben es
plötzlich nicht mehr mit Vampiren sondern mit Zombies zu tun. Denen lässt sich
natürlich schwerlich mit Holzpföcken der Garaus machen. Hier wird nur ein
Ausschnitt aus Roths genommen, um auch von diesem wichtigen österreichischen
Autor etwas in diesem Band zu haben. Und wieder passt es irgendwie.
Die
letzte Kurzgeschichte stammt wieder von Konrad J. Gregor. „Die Angst des
Zombies vor der Schrotflinte“ ist, wie der Titel unschwer erkennen lässt, an Peter Handkes
DIE ANGST DES TORMANNS BEIM ELFMETER angelehnt.. Der Zombie Bloch ist, wie auch
der Monteur Bloch in Handkes Erzählung, immer in Bewegung. Er macht sich aber
auch Gedanken darüber, ob man über eine Person wie ihn ein Buch schreiben kann
und ob es interessant wäre. Eine ähnliche Frage habe ich mir bei meinen wenigen
Versuchen Handke zu lesen auch gestellt? Wen interessiert das und für wen ist
das relevant. Anders als die meisten Handke-Erzählungen, die ich kenne, ist
diese Zombiefassung Gregors wenigstens amüsant.
Zum
Abschluss gibt es noch drei Gedichte von Maximilian Zirkowitsch, u.a. „Das
Zombielied“ nach Nestroy, die sich gut lesen lassen und dem Band einen würdigen
Ausklang geben.
Das Buch HOLZFÄLLEN
UND NIEDERMETZELN schafft genau das, was beabsichtigt war. Es macht Spaß.
Besonders viel Spaß macht es , wenn man die Originale kennt oder zumindest grob
weiß, worum es in den Werken geht. Wie jede gute Persiflage sind die
Geschichten auch als Hommage an die jeweiligen Autoren zu verstehen. Das passt mal gut (Bernhard), mal weniger gut (Handke). Gerade österreichische Horror-Fans
sollten das Buch mal versuchen. Ich denke, dass jemand der sich mit den
Befindlichkeiten des Landes besser auskennt als ich, noch einiges mehr, gerade
aus der Titelgeschichte, herausholen kann.
Allen
Autoren gelingt es aus den Vorlagen „vernünftige“ Zombie-Geschichten zu machen,
die auch einigermaßen funktionieren, wenn man die Originale nicht kennt. Aber
trotzdem frage ich mich, wer die Zielgruppe ist. Das Publikum der Originale
wird sich bei manch Splatterszene wahrscheinlich mit Grausen abwenden und dem
Horroraficionado ist wahrscheinlich zu viel Bernhard und zu viel Handke in dem
Band. Bleibt der Satirefreund übrig. Aber auch der muss sich auch entweder mit
Zombiegeschichten oder mit österreichischer Literatur einigermaßen auskennen,
um die Feinheiten des Buches zu erkennen. Mir hat das Buch jedenfalls Spaß
gemacht und ich kann es denjenigen, die mal ein etwas anderes Büchlein mit
Horrorgeschichten wollen, wärmstens empfehlen.
FAZIT: Fünf satirische Geschichten und
drei Gedichte, die berühmte österreichische Literaten und deren Geschichten
persiflieren. Kurzweilige Unterhaltung für Literaturbegeisterte, die keine
Angst vor Zombies und Splatter haben oder Horror-Fans, die keine Angst vor
sogenannter „hoher Literatur“ haben oder für Fans gut gemachter Satire.
Holzbaum Verlag, März 2013
128 Seiten
9,99 €
ISBN: 978-3-9503508-1-4
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen