Samstag, 17. August 2013

Hydra: Holzfällen und Niedermetzeln


Das österreichische Satirekollektiv Hydra hat sich in den letzten Jahren immer mal wieder ein Genre vorgenommen und dieses dann durch den Kakao gezogen. Da ist zum einen das Buch SEX MIT 45 zu nennen, dessen Cover-Layout schon unverkennbar zeigt, was hier auf die Schippe genommen werden soll. Es sieht nämlich aus wie ein Liebesheftroman in Bastei-Optik, wie man sie heute noch zuhauf in Supermarktzeitschriftenregalen finden kann. (Im Gegensatz zu Horrorheftromanen übrigens. Außer ab und an dem aktuellen Sinclair ist dort nix mehr zu finden). Eine andere Persiflage ist KRITIK DES SCHIMPFENS aus dem Jahr 2011. Dessen Optik erinnert stark an die der UTB-Taschenbücher. Jeder, der sich mal an einem Studium versucht hat, wird die UTB-Bücher und auch deren spezielle Art kennen.

Nachdem also Liebesschmonzette und Wissenschaft abgehakt sind, versucht sich das Hydra-Team in diesem Jahr also am Horror-Genre, spezieller ausgedrückt dem Zombie-Buch. Eine Mode der letzten Jahre war es ja Klassiker (was auch immer man darunter verstehen mag) mit Zombies zu kreuzen. Titel wie STOLZ UND VORURTEI UND ZOMBIES oder DIE LEICHEN DES JUNGEN WERTHER zählen wohl zu den bekanntesten dieses Sub-Sub-Genres. Die Hydranten nahmen sich jetzt einige der bekanntesten österreichischen Autoren der letzten hundert Jahre zur Brust und verzombiefizierten in dem kleinen Band HOLZFÄLLEN UND NIEDERMETZELN sechs ihrer Erzählungen bzw. Gedichte.
Die erste und titelgebende Geschichte ist zugleich auch die längste und macht ca. zwei Drittel des Buches aus. Curt Cuisine nimmt hier Thomas Bernhards Abrechnung mit der Wiener Gesellschaft aus den 1980er Jahren, transportiert sie in die Gegenwart und macht aus den Wienern Zombies. Da ich zwar HOLZFÄLLEN von Thomas Bernhard nicht kenne, aber einige andere seiner Werke und mit seinem Stil einigermaßen vertraut bin (außerdem mag ich den Bernhardschen Stil), muss ich als erstes anerkennen, dass Cuisine den Tonfall Thomas Bernhards gut trifft. Und es ist, wie er im Nachwort selbst schreibt, auch ein dankbarer Tonfall für einen Zombieroman. Der Ich-Erzähler sitzt in der Ecke, schaut dem Treiben der Zombie-Gesellschaft zu und grantelt rum, über die Zombies, die Vampire und überhaupt alles und jeden. Das macht Spaß und der Splatter kommt auch nicht zu kurz. Leider kenne ich mich nicht so gut in den Begebenheiten österreichischer Politik und Kultur aus, um alle Anspielungen, derer es in dieser Geschichte sehr viele gibt, zu erkennen und zu verstehen. 

Die weiteren vier Erzählungen sind erheblich kürzer. Jürgen Miedl macht aus Arthur Schnitzlers LEUTNANT GUSTL „Leutnant Grusel“. Nach einem Konzertbesuch („666 Variationen zu einem Thema aus Peter Jacksons Requiem Bad Taste in a-Moll“) sieht sich der Held einigen Zombies gegenüber. Das alles ist wie auch in LEUTNANT GUSTL als innerer Monolog verfasst. Auch hier überrascht es, wie gut sich die Originalgeschichte zu einer Zombiegeschichte umwandeln lässt. Und wie Jürgen Miedl auch bis zum Ende hin den inneren Monolog aufrecht hält ist unterhaltsam zu lesen.

In „Die Verwesung“ erwacht Gregor Samsa nicht als Käfer wie in Kafkas DIE VERWANDLUNG, sondern natürlich als Zombie. Konrad J. Gregor hat Kafkas Geschichte nicht nur thematisch etwas abgeändert. Sie spielt auch in unserer Gegenwart. Gregor Samsa wird auch durch die medialen Einflüsse unserer Zeit zum Zombie und es gibt somit gleich ein wenig Gesellschfafts- und Medienkritik nebenbei. Ansonsten ist DIE VERWANDLUNG natürlich eine grandiose Vorlage und Konrad J. Gregor macht daraus auch eine nette kurze Zombiestory.

RADETZKYMARSCH von Joseph Roth war Vorbild für Gregor Fröhlichs gleichnamige kurze Geschichte. Leutnant Trotta vom kaiserlichen Vampirjägerregiment und seine Einheit haben es plötzlich nicht mehr mit Vampiren sondern mit Zombies zu tun. Denen lässt sich natürlich schwerlich mit Holzpföcken der Garaus machen. Hier wird nur ein Ausschnitt aus Roths genommen, um auch von diesem wichtigen österreichischen Autor etwas in diesem Band zu haben. Und wieder passt es irgendwie.

Die letzte Kurzgeschichte stammt wieder von Konrad J. Gregor. „Die Angst des Zombies vor der Schrotflinte“ ist, wie der Titel unschwer erkennen lässt, an Peter Handkes DIE ANGST DES TORMANNS BEIM ELFMETER angelehnt.. Der Zombie Bloch ist, wie auch der Monteur Bloch in Handkes Erzählung, immer in Bewegung. Er macht sich aber auch Gedanken darüber, ob man über eine Person wie ihn ein Buch schreiben kann und ob es interessant wäre. Eine ähnliche Frage habe ich mir bei meinen wenigen Versuchen Handke zu lesen auch gestellt? Wen interessiert das und für wen ist das relevant. Anders als die meisten Handke-Erzählungen, die ich kenne, ist diese Zombiefassung Gregors wenigstens amüsant.

Zum Abschluss gibt es noch drei Gedichte von Maximilian Zirkowitsch, u.a. „Das Zombielied“ nach Nestroy, die sich gut lesen lassen und dem Band einen würdigen Ausklang geben.

Das Buch HOLZFÄLLEN UND NIEDERMETZELN schafft genau das, was beabsichtigt war. Es macht Spaß. Besonders viel Spaß macht es , wenn man die Originale kennt oder zumindest grob weiß, worum es in den Werken geht. Wie jede gute Persiflage sind die Geschichten auch als Hommage an die jeweiligen Autoren zu verstehen. Das passt mal gut (Bernhard), mal weniger gut (Handke). Gerade österreichische Horror-Fans sollten das Buch mal versuchen. Ich denke, dass jemand der sich mit den Befindlichkeiten des Landes besser auskennt als ich, noch einiges mehr, gerade aus der Titelgeschichte, herausholen kann.

Allen Autoren gelingt es aus den Vorlagen „vernünftige“ Zombie-Geschichten zu machen, die auch einigermaßen funktionieren, wenn man die Originale nicht kennt. Aber trotzdem frage ich mich, wer die Zielgruppe ist. Das Publikum der Originale wird sich bei manch Splatterszene wahrscheinlich mit Grausen abwenden und dem Horroraficionado ist wahrscheinlich zu viel Bernhard und zu viel Handke in dem Band. Bleibt der Satirefreund übrig. Aber auch der muss sich auch entweder mit Zombiegeschichten oder mit österreichischer Literatur einigermaßen auskennen, um die Feinheiten des Buches zu erkennen. Mir hat das Buch jedenfalls Spaß gemacht und ich kann es denjenigen, die mal ein etwas anderes Büchlein mit Horrorgeschichten wollen, wärmstens empfehlen.


FAZIT: Fünf satirische Geschichten und drei Gedichte, die berühmte österreichische Literaten und deren Geschichten persiflieren. Kurzweilige Unterhaltung für Literaturbegeisterte, die keine Angst vor Zombies und Splatter haben oder Horror-Fans, die keine Angst vor sogenannter „hoher Literatur“ haben oder für Fans gut gemachter Satire.

Hydra: Holzfällen und Niedermetzeln
Holzbaum Verlag, März 2013
128 Seiten
9,99 €
ISBN: 978-3-9503508-1-4

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