Dienstag, 5. März 2013

Daniel Djurin-Markovich: Wurdulac, Band 1 + 2



Allerlei fiese Geschöpfe tummeln sich im Sibirien der Mitte des 20. Jahrhunderts. Da sind zum einen die titelgebenden Wurdulac, riesige fledermausähnliche schwarze Wesen, die sich von menschlichen Blut ernähren. Gleichzeitig sind sie die Schöpfer von Odoroten, vormals Menschen, die von den Wurdulac in zombieeske Wesen verwandelt worden sind, die nun auch nach Blut gieren. Dann gibt es noch die Enok, die in gewisser Weise auch durch die Wurdulac zu dem wurden, was sie sind. Recht große weiße menschenähnliche Geschöpfe, die aber diesmal nicht auf menschliches Blut sondern eher auf menschliches Fleisch stehen.

Die eigentliche Handlung, die nach einem kurzen Prolog einsetzt, beginnt in einem Gulag. Peter McCoy, Alan Montgomery-Young und Michael Dean Walker, drei Amerikaner, die nach einer gescheiterten geheimdienstlichen Mission in das Lager deportiert worden sind, schaffen es, während der Wirren eines nächtlichen Wurdulac-/Odoroten-Angriff zu fliehen. Der sadistische Lagerkommandant Wolkow entkommt diesem Angriff aber auch und heftet sich mit den wenigen übriggebliebenen Soldaten an ihre Fersen.

Nach dem Ausbruch werden auch noch die restlichen wichtigen Figuren in die Handlung eingeführt. Das ist zum einen Sergej Azew, ein Priester mit Geheimdienstvergangenheit, der in Sibirien untergetaucht ist. Er hilft den drei "Amerikanski" bei ihrer Flucht und nimmt sie mit in sein Dorf, wo auch noch seine Tochter Kyra, in die sich Michael gleich Hals über Kopf verliebt und sein stummer Kumpan Kuang Tse, ein verstoßener Samurai, ein Ronin, in den Lauf der Geschichte eingeführt werden.

Der Rest der Dorfführung ist nicht so begeistert davon, dass Azew die drei Amerikaner ins Dorf bringt. Sie befürchten, dass die Wurdulac und die Odoroten ihnen folgen werden. Und das zu Recht. Doch Azew hat etwas waghalsiges mit den dreien vor und hofft auf ihre Hilfe in der für ihn unausweichlich bevorstehenden Auseinandersetzung. Außerdem hat Lagerkommandant Wolkow, der immer noch an ihren Hacken klebt, auch noch eine alte Rechnung mit dem Priester offen. Die Lage für das Dorf spitzt sich zu.

Eine Menge Personal, dass uns der Autor da liefert. Aber jeder einzelne und auch viele der Nebenfiguren werden ausführlich charakterisiert. Von vielen Personen werden, teils in wenigen Sätzen, teils ausführlicher, die Wege beschrieben, die sie in das gottverlassene Sibirien getrieben haben. Das mag sich jetzt nach übertrieben ausufernder Aufzählung von Nebensächlichkeiten anhören. Ist es aber nicht. Das alles ist sehr stimmig und passt gut in den eigentlichen, relativ kurzen Handlungszeitraum von drei Tagen, hinein.
Djurin-Markovich erzählt in einer sehr bildgewaltigen Sprache, die zwar manchmal etwas umständlich wirkt, mich aber trotzdem beeindruckt hat. Ein Zitat zur Untermauerung: "Zerfetzte Wrackteile von Militärfahrzeugen lugten aus dem sich bewegenden Nebel wie Karkassen prähistorischer Urzeittiere; abgefallene Stoßstangen glichen blankgewetzten Knochen, Reifenfelgen frostgeblendeten Augen eiserner Monstrositäten. Sie kamen nur für einen Augenblick an die Oberfläche dieser Eiswelt, als ob sie aus einem Traum erwacht wären und versuchten, wieder ihre einstige Gestalt anzunehmen. Die leblosen und starren Bildnisse wirkten wie ein Mahnmal des Schmerzes und des Leids. Nacheinander wurden sie erneut in einen Abgrund aus Schwarz- und Grautönen gestoßen, verschwanden inmitten eines endzeitlichen Ozeans aus endgültigen Weiß, der sie für alle Zeit gefangen halten würde." Ich mag solche Metaphern. Und es gibt einige davon in diesem Buch, die mir Sibirien eindrücklich vor Augen geführt haben.

Schon als zu Beginn kurz der Arbeitsalltag der Gefangenen im Gulag thematisiert wird, zeigt sich das erzählerische Talent des Autors. Die Greuel, die die Gefangenen erleben müssen, sind auf eine Art und Weise beschrieben, die mir an die Nieren gegangen ist. Später wurden auch eindrucksvolle Schlachtenszenarien entworfen, die es in sich haben. Es gibt Gemetzel zwischen Menschen und Menschen, Menschen und Dämönen und sogar Dämonen und Dämonen, wo das Blut spritzt und die Gedärme aus dem Körper treten. Also kommt auch der Freund des gepflegten Splatters durch die bildhafte Sprache auf seine Kosten. Da kann man einige etwas zu ausführlich geratene Abhandlungen über fernöstliche Kampfkunst und Philosophie schon einmal verkraften.

Dieser Roman hätte also ein wirklich sehr, sehr guter Roman werden können. Hätte. Wenn er denn professionell überarbeitet worden wäre. Die Rechtschreib-, Tipp- und Flüchtigkeitsfehler sind so zahlreich, dass man nicht einfach über sie hinweglesen kann. Hinzu kommen auch Mängel im Plotaufbau. Da kommen plötzlich wie aus dem Nichts Dinge aus dem Vorleben der Figuren auf den Plan, die zwar wichtig für den weiteren Verlauf der Handlung sind, aber überhaupt nicht vorbereitet sind. Es kam mir teilweise so vor, als ob sich auf gestrichene Textstellen bezogen wird, da es den Anschein hat, dass der Leser mit den Tatsachen schon vertraut sein sollte. Auch das hat mich genervt. Da muss man doch dran arbeiten, bevor es veröffentlicht wird. Gerade weil der Sprachstil in meinen Augen so überzeugend und auch die Geschichte spannend ist, haut das noch mehr ins Kontor. Was hätte das für ein Roman werden können? So bleibt nach dem Lesen aber vor allem hängen, dass hier einiges verschenkt worden ist.

Trotz allem hat sich die Lektüre für mich mehr als gelohnt. Trotz der oben genannten – wirklich eklatanten – Mängel hat mich dieses Buch gefesselt. Normalerweise suche ich bei so vielen Fehlern schreiend das Weite. Hier hat mich die Wortmächtigkeit Daniel Djurin-Markovichs bei der Stange gehalten.

Fazit: Wort- und bildgewaltiger Roman über den Kampf von Menschen gegen Dämonen im Sibirien der Stalinzeit. Leider verliert der Roman einiges aufgrund der mangelnden Überarbeitung. Trotzdem bedingt empfehlenswert, weil trotz der Mängel das große Erzähltalent des Autors deutlich zu erkennen ist. Schade um die verschenkten Möglichkeiten.


Daniel Djurin-Markovich: Wurdulac, Band 1 + 2
AAVAA-Verlag, Februar 2013
287 und 295 Seiten
jeweils 11,95 €
ISBN: 978-3-8459-0634-8 + 978-3-8459-0638-6 (Taschenbücher)
Auch als E-Books erhältlich (je 6,99 €)

"Wurdulac, Band 1" beim AAVAA-Verlag
"Wurdulac, Band 2" beim AAVAA-Verlag

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