Freitag, 5. April 2013

Rona Walter: Kaltgeschminkt




Gleich drei Romane aus dem Luzifer Verlag sind in der Kategorie Bester Roman 2012 für den Vincent Preis, den deutschen Horrorliteraturpreis, nominiert. Neben dem von mir schon besprochenen "Graues Land- Die Schreie der Toten" und Vincent Voss' "172,3" (letztes Jahr noch in Prä-Blog-Zeiten gelesen) auch der Debütroman der Autorin Rona Walter, "Kaltgeschminkt". Ich-Erzähler des Romans ist Harris McLiod, ein junger Schotte, der kurz vor Abschluss seiner Bestatterlehre einen bewusst herbeigeführten Totschlagsanschlag knapp überlebt. Nicht ohne vorher noch im Jenseits vor eine weitreichende Entscheidung gestellt zu werden. Im Gegensatz dazu wird sein Lehrherr umgebracht. In einem einsamen Manor führt McLiod nun sein eigenes Bestattungsunternehmen bis eines Tages James Beastly vor seiner Tür steht. Einer seiner Vorgänger bei seinem alten Lehrmeister. Dieser nimmt ihn mit nach Hamburg, weil er denkt, dass McLiod der einzige ist, der ihm bei einem besonders schweren Fall helfen kann. In Hamburg angekommen verfällt er sogleich der schönen Partnerin Beastlys, Rachelle Hammerstein. Nur das sie nicht einfach nur eine schöne Frau zu sein scheint, sondern ein anderes Wesen... Auch der Auftrag Beastlys scheint mehr zu sein, als es den Anschein hat. Vielmehr geht es darum, dass McLiod der mögliche Nachfolger Beastlys ist, der für dubiose Auftraggeber frisch Verstorbene auf eine spezielle Art für die letzte Reise vorbereiten soll...

"Kaltgeschminkt" ist vor allem eins: originell. Hier wird mal ein Plot jenseits ausgetretener Pfade entwickelt. Keine Zombies, keine Vampire, keine wahnsinnigen Serienkiller. Nein, man bekommt es mit Blutfeen und einer interessanten Jenseits-Mythologie zu tun, die ihre Wurzeln wohl in der schottischen Sagenwelt haben. Da macht es sich bemerkbar, dass die Autorin gebürtige Schottin ist. Der Protagonist ist kein strahlender Held, sondern eher das Gegenteil. Ein depressiver Loser, der weinerlich ist und einem mit seiner gestelzten Ausdrucksweise gehörig auf den Sack gehen kann. Bestatter als Hauptfiguren in unheimlichen Romanen scheint gerade ein kleiner Trend zu sein. Auch in Markus Heitz "Oneiros" ist der Protagonist einer, dieser passt aber eher in Kategorie"strahlender Held". Ein für den Gruselbereich interessanter Berufszweig, der in der Vergangenheit viel zu selten beachtet wurde. Da lassen sich bestimmt noch andere interessante Geschichten zusammenspinnen.
Originell ist auch, dass ein Großteil des Romans in der Hamburger Gothic-Szene spielt. Eine Szene, die in, nennen wir sie mal, Mainstream-Kreisen sowieso schon gerne in die Horrorecke gesteckt wird, aber in der Horrorliteratur bisher auch so gut wie keine Rolle gespielt hat. Auch der Soundtrack des Buches, die erwähnten Bands und Musikstücke sind erste Sahne und ich könnte mir durchaus eine "Kaltgeschminkt"-Compilation vorstellen. Ich würde sie mir auf jeden Fall zulegen (Darf ich einmal kurz meckern: Instrict Confidence. Tz, tz, tz)

Also liegt hier schon einmal ein von seiner Geschichte sehr origineller Roman vor. Was die Bestatter dann mit Toten und Lebenden anstellen, ist auch nicht ohne. Auf explizite Gewaltszenen wird aber weitestgehend verzichtet und manchmal wird auch dezent abgeblendet. Das ist in Zeiten, wo es in Gewaltdarstellungen teilweise immer extremer wird, auch mal ganz gut so. (Wobei ich nichts gegen in die Handlung passende Darstellungen solcher Art habe, im Gegenteil).

Was aber auch originell ist, ist das Erzähltempus. Der Roman wird nämlich im Präsens erzählt. An einer Stelle heißt es auch "Du hast das erzählende Präteritum gewechselt". Das wirkt am Anfang recht befremdlich, da ich gewohnheitsmäßig die Vergangenheitsform erwartet habe. Aber wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat, merkt man, dass die Gegenwartsform sehr gut die Originalität der Geschichte unterstützt.

Zum Ende hin will ich aber auch noch etwas Kritik loswerden. Der Erzählstil wirkt mir etwas inkonsequent. Recht zu Beginn des Buches wird im Text schon auf den Unterschied der Sprache McLiods und Beastlys hingewiesen. McLiods bewusst gewählte und vornehme Ausdrucksform wird Beastlys moderner Slang entgegengesetzt. Später gleicht sich dann McLiods Erzählsprache immer mehr der Sprache Beastlys an. Leider wechselt die Autorin dann aber die Erzählstile einige Male plötzlich, als wäre ihr eingefallen, dass McLiod eigentlich anders erzählt, als er es gerade tut. Das wirkt manchmal etwas disharmonisch. Aber ich will nicht zuviel kritisieren. Es ist ein Debütroman. Und etwas Luft nach oben muss ja auch noch bleiben. 

Fazit: Origineller Roman mit einem erfrischend anderen Personal, einer interessanten Geschichte und in der selten gewählten Gegenwartsform erzählt. Unbedingte Leseempfehlung.


Rona Walter: Kaltgeschminkt
Umschlaggestaltung: Timo Kümmel
Luzifer Verlag, April 2012
238 Seiten
14,50 €
ISBN: 978-3943408041
Auch als E-Books erhältlich (3,99 €)

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