Samstag, 22. Februar 2014

Ryan David Jahn: Der Cop


Es gibt Bücher, da sind die Guten so gut, dass man es nicht glauben kann. Und natürlich sind die Bösen dann so abgrundtief böse, dass  kaum noch eine menschliche Regung erkennbar ist. DER COP von Ryan David Jahn ist so ein Buch nicht.  Es ist zwar von Beginn an klar, wie die Sympathien verteilt sind und das ändert sich im Laufe der Handlung nicht grundlegend, aber man erfährt und es passiert einiges, was  nicht so ganz zu strahlenden Helden oder fiesen Bösewichten passt.

Aber fangen wir von vorne an. Schon der erste Satz ist der Hammer: „Ian Hunt hat noch eine knappe Stunde  bis Schichtende, als seine tote Tochter anruft“.  Einer der besten ersten Sätze eines Romans, den ich bisher gelesen hab. Die Absurdität des ersten Satzes wird aber recht schnell aufgelöst. Hunts Tochter ist vor sieben Jahren entführt worden und vier Monate vor besagtem Anruf für tot erklärt und beerdigt worden.  Da der Polizist Hunt , derjenige ist, der in seiner Dienststelle, die Notrufe entgegennimmt (daher auch der Originaltitel THE DISPATCHER, die die Sache besser trifft als der deutsche Titel), ist er auch am Telefon, als seine Tochter, die ihrem Entführer kurzzeitig entwischen kann, die Polizei anruft. Er ist auch der einzige gewesen, der überhaupt daran geglaubt hat, dass seine Tochter noch lebt.  Nun hat er nicht nur die Gewissheit, sondern er weiß auch, dass sie in der Nähe ist, obwohl sie während des Telefonats wieder gefangen genommen wird. Bei der anschließenden Fahndung läuft einiges schief, so dass die Entführer (ein älteres Ehepaar) mit Maggie, so der Name der Tochter, fliehen können. Aber Ian Hunt heftet sich an ihre Fersen.
Der Thriller bezieht seine Spannung nicht aus der Suche nach dem Täter - von Beginn an weiß der Leser, wer die Entführer sind – sondern aus der Frage, ob Ian Hunt es schafft, seine Tochter zu befreien. Die einzelnen Kapitel wechseln zwischen den Figuren hin und her. Mal ist man beim Jäger, mal bei den Gejagten, wobei dort auch ein großes Augenmerk auf Maggies Perspektive gerichtet wird. Zwischendurch werden noch die Vorgeschichten kurz aber prägnant präsentiert.  Jahn schafft es so die Spannung hochzuhalten. Gerade nachdem klar ist, dass der Entführer entdeckt wurde und fliehen muss, entwickelt sich  eine Verfolgungsjagd mit Handicaps auf beiden Seiten.

Während der Verfolgung wirft Hunt alle moralischen Schranken über Bord. Man fühlt sich stark an Selbstjustizgeschichten a la Charles Bronsons „Ein Mann sieht rot“ erinnert. Ich habe mir während des Lesens das eine oder andere Mal die Frage gestellt, ob der Zweck in diesem Fall die Mittel heiligt. Denn die Mittel, die Hunt anwendet, um seine Tochter wieder zu bekommen sind drastisch. Ich bin für mich auch noch zu keiner Lösung gekommen. Aber dass solche Fragen aufgeworfen werden, spricht genauso für das Buch, wie Hunts Refflexionen: er weiß, dass er Unrecht tut, um zu seinem Recht zu kommen. Auch die Taten und das Verhalten der Entführer sind ziemlich plausibel erklärt, die im Grunde auch nichts anderes tun als Hunt: sie tun Unrecht, um zu ihrem (vermeintlichen) Recht zu kommen.

Der Autor lässt zeigt zwar durchaus Sympathien für seinen Protagonisten durchscheinen, aber klar Stellung zu seinem Verhalten bezieht er nicht. Das bleibt dem Leser überlassen. Dadurch hallt der Roman  lange nach. Da das auch noch mit einer gehörigen Portion Spannung und Action einhergeht, ist hier ein Spannungsroman der Extraklasse herausgekommen, den ich nur wärmstens empfehlen kann.


Fazit: Spannung und Action, die auch noch zum Nachdenken anregt. Thrillerherz, was willst du mehr?

Ryan David Jahn: Der Cop
Thriller
Titel der amerikanischen Originalausgabe: THE DISPATCHER (2011)
Aus dem amerikanischen Englisch von Ulrich Thiele
Heyne, Februar 2014
335 Seiten
8,99 € (Taschenbuch)
ISBN: 978-3453436404
auch als E-Book (7,99 €) und gebunden (19,99 €; ebenfalls Heyne; 09/2012) erhältlich

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen